
Mike Beilfuß: Wie bist Du zu diesem Kinoprojekt gekommen?
Philipp Fabian Kölmel:
Mit dem Regisseur Christian Ditter habe ich schon bei seinem letzten Kino-Kurzfilm Grounded gearbeitet, also war ich auch auf seiner Wunschliste. Trotzdem wurde ich für sein Kinodebüt und HFF-Abschlußfilm Französisch für Anfänger – neben anderen Komponisten – zu einem regulären Pitch (Wettbewerb) gebeten und musste zu zwei Szenen probeweise Musik komponieren. Glücklicherweise hat den Produzenten, dem Musikberater und Christian mein Musik-Vorschlag für die große Reisebus-Chase (Verfolgungsjagd) am Ende des Films sehr zugesagt.
Französisch für Anfänger ist ganz anders als die bekannten Filme für Teens, wie z.B. Mädchen, Mädchen oder Harte Jungs, weil er die Gefühle der Jugendlichen unserer Zeit sehr ernst nimmt und nicht einen „unter der Gürtellinie“-Schenkelklopfer nach dem anderen bringen muss. Kurz gesagt, es geht um einen Schüleraustausch mit einer Gruppe deutscher Schüler in eine kleine französische Stadt, und um die Tücken der ersten Liebe. Mich hat der Film, quasi als Rückblick auf meine frühe Teenie-Zeit, sehr berührt. Ich habe mich total darin wieder erkannt. Umso mehr hat es auch großen Spaß gemacht, bei diesem Projekt dabei zu sein. Ich denke, der Film ist nicht nur für Teens, sondern auch sehr zu empfehlen für alle um die 30.
Warum arbeiten so viele Komödien mit dem Einsatz von Songs? Trauen die Regisseure und Produzenten der orchestralen/originalen Filmmusik nicht zu, auch humorvolles hervorheben zu können?Ich finde den gezielten und wohlüberlegten Einsatz von Songs sehr wirkungsvoll. Besonders bei Genrefilmen, wie dem Teenie-Film, kommt man auch gar nicht drum rum. Songs machen einfach eine ganz besondere, etwas anders wirkende Stimmung als ein Score, gerade auch wegen den Songtexten, die man geistig Mitgrölen kann.
Bei Französisch für Anfänger gab es neben einigen bekannten Songs (z.B. von der Band „Wir sind Helden“) auch extra komponiertes. Im Zentrum stand z.B. ein Love-Song der jungen Berliner Band „Super 700“. Eine meiner Vorgaben war es, das musikalische Thema des Songs auch in den Score zu verarbeiten. So hört man z.B. ganz deutlich am Ende während der Kuss-Szene diese Melodie vom Streich-Orchester gespielt, welche vorher schon während zweier Schlüsselszenen in der Disco als gesungener Song zu hören war. Ein weiterer wichtiger Song im Film ist „Bonsoir Mes Amis“ von Reinhard Mey, der immer wieder von den Jugendlichen mit Gitarrenbegleitung gesungen wird, also als so genannte Source-Musik Verwendung findet. Später im Film habe ich die singenden Teens mit einer sanften Streicherbegleitung emotional unterstützt; die Sourcemusik verwandelt sich unmerklich zu Scoremusik.
Songs sind nicht nur bei den Teens eine gute Ausgangsbasis für die Vermarktung des Films. So gibt es auch einen Song-Soundtrack zum Film, auf dem sogar ca. 6 Minuten Score von mir zu hören sind. Eine reine Score-CD würde nie so hohe Verkaufszahlen erreichen.
Ursprünglich war geplant, dass man mit den Songs bzw. der Musik von den Rock- bzw. Pop-Bands die Musikebene komplett in den Griff bekommt. Erst kurz vor dem Ende des Fein-Schnitts des Filmes haben alle erkannt, dass man für zahlreiche Szenen um einen Filmkomponisten, der sich auch mit der dramaturgisch-musikalischen Seite des Scorings auskennt, nicht herum kommt. Ich habe mir also alle Szenen vorgenommen, die dringend nach Musik verlangen, bei denen aber ein Songeinsatz keinen Sinn gemacht hätte. Bis auf die Szene beim Abschiedsabend, dem Reisebus-Chase und der obligaten großen Kussszene am Schluss sind viele ziemlich kurze Scorepassagen zu entdecken, was manchmal etwas ungünstig ist, denn kaum ist man etwas in der Stimmung, braust der Film auch schon weiter. Ohne Musik ging es an diesen Stellen aber auch nicht, da waren wir uns alle einig. Keine leichte Arbeit. Um der französischen Stimmung näher zu kommen, habe ich natürlich auch ein Akkordeon eingesetzt (gespielt von Enrique Ugarte). Hauptinstrument ist neben dem Streichorchester (Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters) die Akustikgitarre (gespielt von Thomas Etschmann).
Grundsätzlich denke ich, dass das filmische und musikalische Gesamtkonzept besser werden kann, wenn der Komponist schon am Anfang der Filmschnittphase dabei ist, wo er den Schnitt noch beeinflussen kann. Bei Projekten, in denen ich schon früh dabei sein konnte, gab es immer einen sehr kreativen beidseitigen Austausch mit dem Cutter. Das hat diesen Filmen sehr gut getan. Ich kann diese Vorgehensweise empfehlen.
Christian und ich haben trotz des knappen Zeitplans, da der Kinostart vorgezogen wurde, sehr intensiv über die Musikeinsätze diskutiert. Im Allgemeinen sind wir auf sehr ähnlicher Wellenlänge in Sachen Spotting und Sound. Bei Französisch für Anfänger gab es zusätzlich noch einen Musikberater (Uwe Kirbach), der anfangs die Songs mit ausgewählt und Rechte geklärt, später bei unseren Musikbesprechungen aber auch aktiv mitdiskutiert hat. Mit schließlich drei Personen im Rücken, dem Produzenten, dem Regisseur und dem Musikberater in meinem Studio, gab es mitunter auch viel hitzigen Redestoff. Das kannte ich bisher erst von Werbemusik-Projekten, wo bis zu 10 Personen oder mehr musikalisch glücklich gemacht werden müssen.
Auch Du kommst, wie viele andere Komponisten auch, aus München. Ist München so etwas wie eine Filmmusikhochburg in Deutschland? Begegnest Du deinen Kollegen öfter?Ja, in München gibt es wohl sehr viele Film-Komponisten, was sicher daran liegt, dass hier durch die Bavariafilmstudios (Das Boot, Die Unendliche Geschichte, Enemy Mine) und andere Film-Firmen die Filmmetropole Deutschlands war. Mehr und mehr verteilt sich das aber auch nach Berlin. Dorthin sind schon einige meiner Kollegen gezogen, um ihr Glück zu versuchen.
Da ich auch in München Filmkomposition studiert habe, treffe ich mich immer mal wieder mit anderen Filmmusikern. Teilweise gibt es auch Kooperationen. Außerdem gibt es ja noch den Deutschen Komponistenverband und den Composers Club (Sektionen Bayern), die sich bei regelmäßigen Treffen austauschen und fachsimpeln.
Auf jeden Fall tut sich etwas in der Filmbranche. Es gibt viele tolle Projekte. Nicht umsonst etabliert sich seit kurzem die Deutsche Filmakademie mit dem Deutschen Filmpreis „Lola“ als wichtige und weltweit anerkannte Plattform. Wenn man dranbleibt, auch international auswertbare Filme zu produzieren, mache ich mir um die Zukunft des deutschen Films keine Sorgen. Ich würde mich freuen, wenn dann auch die Budgets für Filmmusik steigen können. Dann müsste man als Komponist bei der Musikerstellung nicht so knausern in Sachen Orchestergröße, oder man könnte mehr Star-Musiker und Sänger engagieren.
Was sind Deine nächsten Projekte?Zurzeit habe ich ein paar Werbefilm- und Event-Projekte in Arbeit, außerdem weitere Möglichkeiten zum Pitching zu TV-Movies. Am meisten habe ich mich über eine Anfrage zu einem neuen Kinofilm gefreut, einem angenehm rauen Sozialdrama. Das Drehbuch hat mich sehr bewegt. Dieser wird wohl Anfang nächsten Jahres entstehen.
Ich bin aber auch froh nach einer sehr voll gepackten ersten Jahreshälfte etwas durchzuatmen zu können, in Konzerte, Museen oder einfach zu anderen Filmkomponistenfreunden zu gehen, um neue Anregungen zu bekommen. Aus diesem Grund habe ich sogar kürzlich ein paar Projekte abgesagt.
Mein Ziel ist es, Stück für Stück immer besser zu werden; musikalisch-kreativ, wie technisch. Wichtig für mich ist, dass ich immer zu meiner Musik stehen kann. Deshalb bin ich wohl auch nicht der Mann für Daily-Soaps, wo es mehr auf Masse statt Klasse ankommt.
Da die Filmmusik immer auch im Schatten des Filmes steht, ist es immer schön einen gelungenen Film zu bekommen, der auch das Publikum berührt, was ja das wichtigste ist.
Links:
Homepage von Philipp Fabian Kölmel
Informationen über Französisch für Anfänger (Seite des Verleihs)