
Lakeshore LKS 33982 (24 Tracks – 44 Minuten)
Es ist leiser geworden um Carter Burwell in letzter Zeit, noch mehr als zuvor hat er sich auf kleinere Nischenfilme konzentriert, aber die ganz grossen Produktionen waren eh selten in Burwells Filmographie zu finden. In Bruges ist ebenfalls kein grosser, aber ein umso gelungenerer Film: Bitterbös, schwarzhumorig und zynisch. Das passt auch zu Carter Burwell, dessen Scores für die Coen Brüder zumeist diesen unterschwellig traurigen, doppelschneidigen Touch.
Das passt dann eben auch wunderbar zu einem Film wie In Bruges. Burwells Musik ist typisch, wenn sein Pianothema auch in einer ungewohnt schwelgerischen Art beginnt (Prologues). Das hält allerdings nur für den Eröffnungstrack an, danach variiert er sein Thema deutlich weniger und wenn, dann eher in Klängen von pessimistisch-trauriger Färbung. Es ist schon so, das kann man hier unverhohlen sagen, dass die Musik um einiges besser funktioniert, wenn man den Film gesehen hat. Dann kommen eben wieder die Bilder vom in gräulich-braune Farbtöne getauchten, düster-historischen Brügge zu Weihnachten, die spitzen Dialoge und die scheinbare Ausweglosigkeit der Charaktere auf – und dazu passt Burwells Score wie die Faust aufs Auge. Ja sogar die in den Scoreablauf eingebetteten Songs (die alle im Film prominent eingesetzt, vorkommen) funktionieren, allerdings eben nur wenn man In Bruges gesehen hat. Ansonsten stören diese irischen Heimatgesänge, Popsongs und Schuhmanns “Leiermann” den Fortgang des Scores eben doch und es wäre besser gewesen, sie ans Ende der CD zu setzen. Abzüglich der Gesangsstücke bleiben 31 Minuten Musik, eine absolut angemessene Länge für diese Art von Filmmusik.
Die wenigen spannungsbetonten Passagen (Shootout Part 1 und 2) verarbeitet Burwell mit Schlagzeug und elektronischer Gitarre, ein ziemlicher Kontrast zu den sonst ruhigen Tönen. Auch das fasst der Film gleichermassen an. Die Schiessereien sind äusserst brutal und reissen den Zuseher aus der gelegentlichen Ruhe und den spitzfindigen Dialogen.
Ja, der neue Burwell gefällt. Will man ihn ganz abseits vom Flm geniessen, fällt einem der Zugang allerdings deutlich schwerer als mit den Bildern im Kopf. Und mit nur einer Durchhörrunde tut man In Bruges unrecht, der mehr in sich versteckt, als er beim ersten Anhören preis gibt.
Ein kleines P.S. noch: Der Deutsche Verleih gab dem Film wiedermal einen dämmlichen, verräterischen Titel.
★★★☆
Philippe Blumenthal