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Interview mit Johannes Kobilke und Stefan Ziethen zum "Polizeiruf 110 - Bis dass der Tod euch scheidet" (Erstausstrahlung am 13. August 2006, ARD)

Bild: Johannes Kobilke in Ekstase


Mike Beilfuß:Wie ist es zu Eurer Zusammenarbeit gekommen?

Johannes Kobilke (JK): Wir kennen uns seit 10 Jahren, da wir beide zur gleichen Zeit in Ludwigsburg an der Filmakademie Baden-Württemberg “Filmmusik und Sounddesign” studiert haben. In unserem Jahrgang waren wir die zwei einzigen, die bis zum Abschluss studiert haben. Insofern kennen wir uns und unsere jeweilige Musik sehr gut. Ich hatte schon immer den Wunsch, mal mit Stefan zusammen zu arbeiten.

Stefan Ziethen (SZ): Ja, es war ein toller Zufall, dass uns ja eigentlich beim letzten Polizeiruf schon die Zusammenarbeit ermöglicht worden ist. Erst sollte ich für Johannes einspringen – der wiederum hatte, als es soweit war, dann doch Zeit und so nutzten wir die Gelegenheit, um mal einen gemeinschaftlichen Score zu wagen – da wir uns auch sonst bei anderen Projekten übers Telefon inspirieren und kritisieren, konnten wir dies jetzt von Tür zu Tür …

JK: Im letzten Jahr ergab sich so bei dem Polizeiruf 110 Schneewitchen unter der Regie von Christiane Balthasar die Gelegenheit, das erste Mal zusammen zu schreiben. Der Produktionsfirma SAXONIA Media und der Redaktion hat diese Musik sehr gut gefallen, so daß wir dann für den P110 Bis dass der Tod Euch scheidet angefragt wurden. Ich freue mich, dass das wieder geklappt hat, denn die Zusammenarbeit hatte schon beim ersten P110 sehr viel Spaß gemacht. Da Stefan auch für diesen P110 aus Köln in der Zeit des Komponierens hierher nach Berlin kam, war ich auch wieder froh, dass ich einen würdigen Playstation Gegner für “Pro Evolution Soccer 5” hatte …

SZ: … wir waren auch dabei relativ ausgeglichen!

Ich habe den Eindruck, dass in letzter Zeit verstärkt nicht nur ein Komponist, sondern zwei Komponisten Filmmusik im Deutschen Fernsehen komponieren? Ist das so? Wenn ja, gibt es Gründe dafür?

JK: Ich denke der Hauptgrund dafür ist oft der enge Zeitplan einer Produktion. Wir hatten für den P110 Bis dass der Tod euch scheidet 3 Wochen Zeit und ich denke, alleine wäre die Menge an Musik (ca. 45 min.) in dieser Qualität sehr viel schwerer zu schaffen gewesen.
SZ: Dem kann ich mich nur anschließen – ich glaube mehrere Komponisten kommen oft dann ins Spiel, wenn die Zeit knapp wird – natürlich kenne ich auch Komponisten-Gespanne, aber ich denke in Deutschland ist das noch die Ausnahme.

Was für eine Musik solltet Ihr für den Film komponieren?

SZ: Bei der Layoutmusik waren zunächst eigentlich ganz interessante Anregungen von Penderecki und Ligeti dabei, aber das sollte man in dieser Konsequenz auf dem Sonntag-Abend 20h15-Platz dem Zuschauer nicht unbedingt zumuten – für die Waldsequenzen haben wir aber etwas Klangliches davon mit eingearbeitet.
JK: Als Grundorietierung (nicht als Layout) galt uns die Musik des vorherigen P110 Schneewitchen. Dort hatten wir eine Mischung aus klassischen Instrumenten (das Cello haben wir live aufgenommen), modernen Sounds und Ethno-Sounds (Duduk) benutzt. Beim P110 Sachsen-Anhalt ist das Zielpublikum generell eher älter als jünger, das sollte man in der Musik in jedem Fall berücksichtigen.

Wie war die Zusammenarbeit mit der Regisseurin Elsa Kern?

SZ: Also ich fand sie sehr entspannt – sie hat sehr auf unsere Arbeit vertraut.
JK: Ich empfand sie als sehr gut! Sie fand auch die Musik des P110 Schneewitchen sehr gelungen, was natürlich die ersten Schritte erleichterte. da man sich nicht erst grundsätzlich auf eine musikalische Ausrichtung einigen musste. Sie hat uns kürzlich auch für ihren neuen Film vorgeschlagen, doch leider haben sich Produktion und Redaktion für einen anderen Komponisten entschieden.

Gibt es eine vielleicht eine kleine Anekdote, die Ihr von dieser Arbeit erzählen könnt?

JK: Da ich in Berlin in einer Zweizimmer-Wohnung lebe, hat Stefan im Studio-Zimmer

SZ: immerhin auf einer selbstaufblasenden Komfort-Matratze

JK: übernachtet, während sein Equipment in meinem Schlafzimmer stand.

SZ: So war es perfekt möglich, den einen morgens aufzuwecken, weil noch der ein oder andere Take fertig gestellt werden mußte…

JK: ...oder auch abends zu sagen:”Nein, einen müssen wir noch machen.”

Der Polizeiruf ist ja letztendlich eine Mischung aus Serie und Spielfilm, wobei letzterer Anteil vielleicht überwiegt. Gibt es dennoch grundlegende Gesetzmäßigkeiten nach denen bei dieser Fernsehform („Tatort“, Polizeiruf 110“) komponieren muss?

SZ: Es gibt keine vorgeschriebenen Leitthemen oder –Instrumente und dafür wechseln auch die Teams (Regie/Cutter/Komponist) zu sehr, die ja doch oft eine ganz eigene Filmsprache mit einbringen.

JK: Ich denke auch nicht. Wenn man sich verschiedene “Tatort” und P110 -Filme ansieht, sind die doch von der Machart und vom Drehbuch her so verschieden, dass ich keine grundlegenden Gesetzmäßigkeiten in Bezug auf die Musik festellen kann.

SZ: Das einzige was wahrscheinlich ewig bleiben wird, ist die Titelmusik.

Viele Komponisten in Deutschland beschweren sich verstärkt über den viel zu großen Einfluss von der Produzentenseite? Glaubt Ihr auch, dass sich die Produzenten zu sehr in den Ablauf einmischen?

JK: Ich bin für jeden Einfluß, der die Musik inspiriert und verbessert dankbar. Filmemachen ist Teamwork. Als Filmkomponist ist man ein Teil einer Vision.

SZ: Das stimmt sicher – und beim Polizeiruf habe ich bisher von Produktionsseite immer nur Positives erfahren. Es kommt aber immer auch auf das Selbstverständnis der Macher an – wenn Leute eben nicht mehr an diese Gemeinschaftsvision glauben und anfangen, die Arbeit der anderen nicht mehr zu respektieren, fängt es an, problematisch zu werden und da ist es dann egal, ob es sich um Regisseur, Produzent oder Redakteur handelt.

Wie beurteilt Ihr den Deutschen Film zur Zeit? Warum sind in letzter Zeit Deutsche Filme so erfolgreich bei Preisverleihungen, beim Publikum? Was hat sich z.B. gegenüber den 80er Jahren verändert?

JK: Meiner Meinung nach haben sich die Filme von den Geschichten, dem Drehbuch her verändert und ich glaube, dass das vom Publikum honoriert wird. Einer meiner deutschen Lieblingsfilme aus der letzten Zeit ist übrigens Der Wald vor lauter Bäumen (wo übrigens nur ganz am Ende ein Song als Filmmusik auftaucht).

SZ: Den finde ich auch großartig – v.a. wenn man in Schwaben studiert hat! Ich glaube, das hängt auch ganz klar mit den Filmhochschulen zusammen – ich meine, wo konnte man denn in den 70er Jahren Film studieren und wo kann man es heute überall? Und dadurch, dass über Konzepte zur Vermittlung von Film nachgedacht worden ist, junge Leute sich nicht mehr alleine für Ihre Sache kämpfend durchschlagen müssen, hat auch einfach die Qualität gewonnen, was eben auch von Publikumsseite nicht unbeachtet bleibt.

Was wünscht Ihr euch beruflich für die Zukunft? Habt Ihr Wunschprojekte? Hollywood? Einen großen Kinofilm vertonen?

JK: Hollywood!

SZ: Ich fühl mich eigentlich ganz wohl hier, aber wenn Johannes ein Scoring-Team für Hollywood zusammenstellen muss, bin ich dabei (war übriges noch nie in Übersee – das wäre mal eine schöne Gelegenheit!)

Vielen Dank für das Interview.


Bild: Stefan Ziethen ganz seriös


Links:
Homepage von Johannes Kobilke
Homepage von Stefan Ziethen