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Interview mit Francis Shaw über seine Musik zu "Evil" (Soundtrack erschienen auf MovieScore Media)

Francis Shaw im Gespräch über seine Musik zu Evil

S. Ilona Rieke: Wie kam die Zusammenarbeit mit Mikael Håfström zustande? Ich weiss, dass Sie bereits in der Vergangenheit gemeinsam gearbeitet haben…

Francis Shaw: Ja, wir haben zwei Filme zusammen gemacht. Der erste, den Sie vielleicht kennen, war Vendetta. Das war ursprünglich eine Schwedische TV-Serie, diese wurde aber dann zu einem Film zusammengeschnitten. Der Film wurde 1995 veröffentlicht, vor der Serie. Die zweite Produktion hieß Skuggornas Hus oder House of Shadows; ebenfalls eine TV-Serie. Diese entstand 1996.

Sie haben Musik für verschiedene Schwedische Produktionen geschrieben. Haben Sie besondere Beziehungen nach Schweden?

Nun, das kommt daher, weil ich den Produzenten dieser Filme, Hans Lönnerheden, kenne; er ist auch der Produzent von Evil. Ich kenne ihn schon seit langem, weil wir beide Häuser in dem selben Dorf in Italien haben. Daher habe ich ihn zuerst privat kennengelernt, ich schätze das war vor 15 oder 20 Jahren. Als er dann an Vendetta gearbeitet hat, wollte er einen Italienischen Komponisten verpflichten, aber das ist schiefgegangen und er rief mich in letzter Minute an, um mich zu fragen, ob ich die Musik für Vendetta schreiben würde. Er war in absoluter Panik, weil der Italienische Komponist – ich kenne den wahren Grund nicht – entweder nicht in der Lage war diese Musik zu schreiben oder er war krank geworden. So habe ich dann die Arbeit übernommen und es hat sehr gut funktioniert. Nach dieser Zusammenarbeit hat er mich für die Musik zu Skuggornas Hus verpflichtet und schließlich für Evil. Das ist die Hintergrundgeschichte dazu.

Welche Emotionen und Stimmungen wollten Sie mit der Musik zu Evil hervorrufen?

Im Falle von Evil musste die Musik wirklich synchron zur Dramaturgie laufen. Tatsächlich gibt es gar nicht besonders viel Musik in dem Film, aber was an Musik vorhanden ist, muss das verstärken, was wir auf der Leinwand sehen: die Wut und die Frustration und diese ganzen Gefühle. Die Musik spielt hier eine sehr spezifische Rolle. Fast alles ist auf die Hauptfigur des Films, Erik, bezogen, aber einiges in der Musik hat auch mit Eriks Mutter zu tun, die am Anfang des Films eine ziemlich große Rolle spielt. Sie verarbeitet ihren Frust und ihre Wut, indem sie Klavier spielt; darum habe ich dieses kleine, recht wütende Klavierstück komponiert.

Hatte der Regisseur konkrete Ideen, was sie in diesen Szenen spielen sollte, oder lag diese Entscheidung bei Ihnen?

Nein, er hatte keine speziellen Vorstellungen, aber es ist klar, dass sie, als eine häusliche Amateurpianistin, etwas aus dem klassischen Repertoire spielen würde: Beethoven, Mozart etc. Deshalb habe ich mich dafür entschieden ein relativ wütendes Stück im Stile Beethovens zu schreiben, um ihre Gefühle widerzuspiegeln.

Wir haben auch sofort an Beethoven gedacht, als wir das Stück zum ersten Mal im Film gehört haben… Es passt sehr gut zur Stimmung der Szene.

Ja, in dieser Szene wäre es wirklich albern, wenn sie etwas verträumtes oder süßes spielen würde. Und ein modernes Stück wäre ebenfalls unpassend, denn das würde nicht den gewünschten Effekt erzielen ihre Stimmung einzufangen. Die direkteste Art um Wut und Frustration am Klavier auszudrücken (lacht) ist eben häufig Beethoven!

Wollten Sie auch Eriks Einsamkeit und seinen Individualismus ausdrücken, indem Sie viele Solo Instrumente in der Musik zu Evil verwendeten?

Ja, das ist zum großen Teil der Grund dafür. Die Solo Cor Anglais in Journey to New School, die auch später im Film wieder auftaucht – Solo Cor Anglais mit sehr leisen Streichern – und auch die Solo Oboe mit Streichern, das war alles dazu bestimmt ein Gefühl der Isolation zu kreieren. Erik ist isoliert in dieser Schule, wenn man von seinem Freund Pierre und natürlich seiner Freundin Marya absieht. Es war also mit Sicherheit meine Intention durch die Musik dieses Gefühl der Einsamkeit und Isolation zu vermitteln.




War es problematisch ein Orchester für den Film zu bekommen?

Nein, nicht wirklich. Ich meine, natürlich ist ein Orchester immer teuer, aber ich weiss, dass der Produzent sich viel umgesehen hat. In der Vergangenheit haben wir häufig in Moskau gearbeitet; wir haben die Musik für Vendetta dort aufgenommen, weil das dort günstiger möglich war als sonst irgendwo. Er hat ohnehin guten Kontakt zur Moskauer Filmszene, daher gab es bei den Aufnahmen nie irgendwelche Probleme. Bei Evil gab es jedoch irgendeine Art von Vereinbarung mit dem Dänischen Radio Symphonie Orchester. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wie diese Vereinbarung aussah, aber offensichtlich war diese Zusammenarbeit günstiger, als in Moskau aufzunehmen. Das ist der Grund, warum wir für Evil mit dem Dänischen Orchester gearbeitet haben – und die sind zudem sehr gut! Skandinavien hat ohnehin ein phantastisches System für seine Orchester entwickelt. Sie haben jeweils eine bestimmte Anzahl an Tagen im Jahr, die sie nur dafür verwenden Filmmusik aufzunehmen. Das Schwedische Radio Symphonie Orchester in Stockholm und das Dänische Radio Symphonie Orchester in Kopenhagen beteiligen sich an diesem System und ich vermute das Ganze ist noch sehr viel weiter verbreitet in Skandinavien. Das gibt einem die phantastische Möglichkeit die Musik für Filme aus diesen Ländern mit guten Orchestern einspielen zu können. Man kann es sich leisten, da man spezielle Konditionen bekommt und die Musiker nicht extra bezahlt werden müssen, weil die Arbeitsstunden bereits in ihrem normalen Gehalt eingerechnet sind. Das ist eine sehr gute Idee und ich wünschte, wir könnten das hier in England ebenfalls so machen, aber das funktioniert hier leider nicht auf die gleiche Weise. Daher hatten wir bei Evil wirklich Glück mit einem so guten Orchester arbeiten zu können.

War es je im Gespräch, dass Sie auch die Musik für Mikael Håfströms neusten Film (sein Hollywood Debüt) Derailed komponieren könnten?

Nicht wirklich. Mikael wurde von Miramax beauftragt diesen Film zu drehen, und ich weiss, dass sie den Komponisten ausgesucht haben. Diese Entscheidung lag wirklich nicht in Mikas Hand, er hatte da keine Wahl. In der Filmwelt ist es sehr üblich, dass die Produzenten die Entscheidungen treffen und nicht der Regisseur – beim Fernsehen ist das anders. Nun, ich hoffe Mikael und ich werden in Zukunft erneut zusammenarbeiten und ich glaube auch, dass wir das tun werden, aber es hängt ganz von dem jeweiligen Projekt ab und davon, ob er mit anderen Komponisten arbeiten muss. So läuft das halt. Diese Entscheidungen sind teilweise auch politischer Natur, besonders in Hollywood.

Welche Projekte stehen bei Ihnen in nächster Zeit an? An was arbeiten Sie gerade?

Was ich mache? (Lacht) Nun, morgen fahre ich nach Italien, zum einen um dort Urlaub zu machen, zum anderen gebe ich dort ein Klavierkonzert am achtundzwanzigsten und ich werde außerdem einige Stücke vorstellen, die ich für einen Freund von mir geschrieben habe. Er ist Maler. Ich habe Musik zu einigen seiner Bilder komponiert und diese wird nun im Rahmen seiner Ausstellung am kommenden Samstag präsentiert. Das wird sicher schön. Die Ausstellung heisst „Aqua e Ambiente”, also Wasser und die Gefühle, die Wasser auslöst. Er hat eine ganze Bilderserie gemalt und ich habe sehr frei Musik zu diesen Bildern geschrieben. Was noch? Das andere Projekt an dem ich arbeite, ein wahres Riesenprojekt, ist für EMI eine Sammlung von Orchesterstücken zu komponieren, die Russland im zwanzigsten Jahrhundert repräsentiert. Wir haben noch nicht genau entschieden, welche Ereignisse wir vertonen möchten: eine der Russischen Revolutionen, Chernobyl, den Zusammenbruch des Kommunismus, Stalin oder Leningrad… Alles muss jedoch im Russischen Stil des zwanzigsten Jahrhunderts, also im Stil von Prokofiev, Shostakovich etc. geschrieben werden. Das ist die wirklich große Aufgabe, um die ich mich im nächsten Monat zu kümmern habe.

Herzlichen Dank für das Interview, Mr. Shaw.

Interview in originaler Sprache

Francis Shaw talks about his music for Evil

_S. Ilona Rieke: How did the collaboration with Mikael Håfström come about? I know you’ve already worked together in the past…_

Francis Shaw: Yes, we’ve done two films together. The first one was Vendetta, which you may know about. It started off as a Swedish TV series and then it was edited down to a movie. The movie was released in 1995, before the television series. The second one was called Skuggornas Hus or House of Shadows, which was a television series; that was done in 1996.

You’ve written music for various Swedish productions. Do you have any special connection to Sweden?

Well, it’s because I know the producer of both of those films, Hans Lönnerheden, and he’s also the producer of Evil. I’ve know him for a long time because we have houses in the same village in Italy and we got to know each other first of all socially, I suppose 15, 20 years ago. When he was doing Vendetta, he was going to use an Italian composer, but that went wrong and he telephoned me at the last minute and asked me if I would do the music for it. He was in an absolute panic because the Italian composer – I don’t know what the real story was – he either wasn’t able to do it or he was ill or something. So I stepped in and it worked really well. After that he asked me to do the music for Skuggornas Hus and then most recently for Evil. So that’s the story behind that.

Which emotions and moods did you want to evoke with your music for Evil?

In Evil the music really had to parallel the dramatic situation. Actually there’s not very much music in the film, but what there was had to reinforce what we saw on screen: the anger and the frustration and so on. It really had a specific role to play. Almost all of it had to do with Erik, the main lead, but some of the music had to do with his mother, who features quite a lot in the beginning of the film. She works out her frustration and anger by playing the piano, so that’s why I wrote that little rather angry piano piece.




Did the director have any specific ideas what she was supposed to play in those scenes or was that your decision?

No, he didn’t really have any specific ideas, but obviously, as a domestic amateur pianist, she would be playing music from the repertoire: Beethoven, Mozart and so on. So I decided to write a piece in the style of Beethoven, which was fairly angry, to reflect what she was feeling. It is absolutely in Beethoven style.

We were actually thinking it sounded a lot like Beethoven, when we first heard it in the movie… It fits the mood of the scene really well.

Yes, in this scene it would be silly for her to play something dreamy and sweet and it would also be silly for her to play something modern, because that wouldn’t really achieve the desired result of illustrating her mood. The most direct sort of music for expressing anger and frustration at the piano (laughs) is often Beethoven!

Did you also want to illustrate Erik’s loneliness and his individuality by using a lot of solo instruments in the music for Evil?

Yes, partly that’s the reason for it. The solo cor anglais in Journey to New School, which appears later on in the film too – solo cor anglais with very soft string orchestra and solo oboe with string orchestra – that was all intended to create a sense of isolation. Erik is isolated in this place, except for his friend Pierre and of course Marya, the girl. So yes, the music was certainly intended to convey loneliness and isolation.

Was it a problem to get an orchestra for this film?

No, not really. I mean, it’s expensive of course, but I know the producer looked around a lot. In the past we’ve worked a lot in Moscow; we did the recordings for Vendetta in Moscow because it was cheaper to do it there than anywhere else. He has a relationship with the Moscow film scene anyway, so he was able to get it done there without any problems. With Evil there was some sort of deal with the Danish Radio Symphony Orchestra. I honestly don’t know what the deal was, but it was apparently cheaper than to go to Moscow to do it. That’s the reason why we used the Danish orchestra for Evil – and they are very good too. The other thing is Scandinavia has a marvellous system with their orchestras. They have a certain number of days every year to record film music. The Swedish Radio Symphony Orchestra in Stockholm and the Danish Radio Symphony Orchestra in Copenhagen participate in this and it may well be more widespread than that. It’s a fantastic opportunity to have good orchestra music in films from those countries. You can afford it because you get a special rate and the players are salaried anyway. It’s a very good idea and I wish we could do it here in England, but we can’t in the same way. So we were very fortunate in having that orchestra for Evil.




Was there any talk about you composing the music for Mikael Håfström’s latest movie (his Hollywood debut) Derailed?

Not really. Mikael was hired to direct that film by Miramax and I know that they chose the composer. So it was really out of Mika’s hands, he couldn’t have any choice. In the film world it’s very often the producers who make the decisions, not the director. It’s different from working for television. Well, I do hope Mikael and I will collaborate again, I think we will, but it depends entirely on the project and whether he has to work with other composers. That’s the way it is. These things are partly political too, particular Hollywood films.

What are your upcoming projects? What are you working on right now?

What am I doing? (Laughs) Well, I am going to Italy tomorrow, to have a holiday partly, but I have to do a piano recital out there on the 28th and I am also going to present some music, which I’ve done for a friend of mine. He’s a painter. I wrote some music about his paintings, which is going to be presented in an exhibition this coming Saturday. It should be fun. It’s called “Aqua e Ambiente”, water and the feelings surrounding water. He has done this whole series of paintings and I’ve composed music to those paintings in a very general way. What else? The other project I have, which is enormous, is to compose for EMI a whole lot of orchestra pieces illustrating Russia in the 20th century. We still haven’t decided exactly whether we are going to choose the Russian Revolution, one of them, or Chernobyl or the fall of communism or Stalin or Leningrad… It all has to be done in 20th century Russian style, Prokofiev, Shostakovich and so on. That’s the really big thing I have to do this coming month.

Thank you very much for the interview, Mr. Shaw.

Links:

Homepage von Francis Shaw
Den Soundtrack zu Evil bekommen Sie hier (Nur per Download im Internet, es gibt leider keine CD).