
Ihre Karriere begann in den frühen 1990ern, seitdem schrieb Michiru Oshima für viele Bereiche: zunächst komponierte sie hauptsächlich für Videospiele und japanische Animationsfilme (Anime). Zu Ruhm gelangte sie dann später durch ihre Arbeit mit Masaki Tezuka, für dessen drei Godzilla-Filme sie das Scoring übernahm. Sie war damit die erste Komponistin innerhalb der traditionsreichen Godzilla-Serie. Derzeit arbeitet sie an der in Japan mit Spannung erwarteten Fortsetzung der „Zelda“-Reihe von Nintendo.
Dazwischen lag aber mit Ashita No Kioku (Memories Of Tomorrow) ein Film des Regisseurs Yukihiko Tsutsumi (Chinese Dinner), ein Drama mit echten Menschen und nicht mit virtuellen Monstern oder animierten Wesen aus der Feder eines Cartoonisten. Es geht dort um einen Mann und dessen Alzheimererkrankung – und wie er (samt Familie) damit umzugehen lernt.
Eine Herausforderung für die Komponistin, ihr unbestrittenes Vermögen, graphische Konzepte musikalisch umzusetzen, nun auch auf einen Spielfilm zu übertragen. Wahrscheinlich aufgrund des Sujets vergreift sich Oshima beim Titeltrack zunächst im Ton, zu süßlich und aufgesetzt kommt er daher. Dann jedoch steigert sich der Score und findet in Track 8 einen ersten Höhepunkt; vom Gestus her leicht an die Streicherbehandlung bei Barber erinnernd.
Das heimliche Hauptthema erscheint dann in seiner Reinform bei Track 11: Die kompositorische Substanz des gebotenen musikalischen Materials wird leider durch die etwas kitschige Harmonisierung geschmälert und im weiteren Verlauf der CD durch die süßliche Orchestrierung zeitweilig seiner Wirkung beraubt. Auch in dramatischen Momenten zeigt der Score große Schwächen im Sinne einer zu eindimensionalen Tonsprache. Oshimas Stärken liegen augenscheinlich eher in der Konsonanz. Es ist eben doch etwas anderes, zwischenmenschliche Prozesse musikalisch differenziert zu verstärken, als das Agieren lebloser Vektoren. Insgesamt überzeugt der eher im kammermusikalischen Ton gehaltene Score vor allem durch seinen melodiösen Einfallsreichtum, der mit den ausdrucksstarken Bildern des Films gut harmoniert.
So sei der Hang zum Kitsch zwar gerade noch verziehen, dennoch hätte man sich das ein oder andere Spannungsmoment jenseits des Plakativen gewünscht. Ausgesprochene Freunde des Wohlklangs sollten probehalber reinhören, ansonsten ist der Score nicht zu empfehlen.
Bewertung: ★ ★ ☆
Jan Peter Bäumer