
All Score Media ASM 028 [56:24/23 Tracks]
Eine CD mit Musik zu 70er-Jahre-Schmuddelfilmen? Ist das Easy-Listening-Revival nicht schon lange vorbei? Das erste flüchtige Hören bestätigt alle Befürchtungen. Hüftsteife Disco-Beats und Swingle-Singers-mäßige Bossas wohin das Ohr hört.
Wenn man dann genauer hinhört, merkt man, dass das hier mehr ist als der übliche Easy-Listening-Pamp. Der hüftsteife Disco-Beat entpuppt sich als ziemlich geiles maschinengetriebenes Stück Munich-Disco. Autobahn heißt der Track. Und ja, so möchte man eine Autofahrt in einem 70er-Jahre Erotic-Horror-Flic untermalt wissen. Die Flamenco-Gitarre gegen Ende setzt noch einen schönen Akzent. Ein wirklich feines Stück Musik. Der folgende „Badabadabap“-Bossa-Nova untermalt offensichtlich eine Swimmingpool-Szene. Auch dagegen ist nichts einzuwenden.
Überhaupt ist Gerhard Heinz sehr geschickt darin, sich bei den gerade vorherrschenden Sounds der Zeit zu bedienen. Lolita und der Teddybär ist ganz klar von Krzysztof Komedas Lullaby aus Rosemary’s Baby beeinflusst. Eine klebrig-gruselige feuchte Herrenfantasie entsteht unweigerlich vor dem inneren Auge. Soviel zu Lolita am Scheideweg (pun intented – I guess).
Versprochen sind 3 Scores. Der zweite ist Die Säge des Todes. Hier schießen die Referenzen vollends ins Kraut. Z. T. wörtlich – da gibt es Sequenzer-Sequenzen wie zu besten Tangerine Dream-Zeiten. Wenn es gruselig werden soll, wird sich freimütig bei Morricones Spaghetti-Western-Scores bedient. Aber Gerhard Heinz kennt auch die Morricone-Musiken zu den zahllosen „Giallos“ – den bruttriefenden italienischen Thrillern. Im Bungalow 13 schaukeln sich ein verstimmtes Klavier und atonal quietschende Streicher gegenseitig hoch, dazu imitiert eine Sopranstimme ein Theremin – oder umgekehrt. Sehr beeindruckend. Eingerahmt wird diese Terror-Suite von einem grenzdebilen Samba Tropical und der Lateinamerikanisch angehauchten Easy-Titelmelodie zum nächsten Film: Die nackten Superhexen vom Rio Amore. Spätestens an dieser Stelle mag man sich die dazugehörigen Filme nicht mehr vorstellen. Fällt auch nicht ganz so schwer. Es ist der überraschungsärmste der drei Scores. Zwischen Francis Lai-mäßigem Klassik-Kitsch und äusserst kompetenten James Last-Orchester-Schmonz schwanken die Stücke. Die Mädchen im Kloster sind allerdings schon wieder sehr brillant und suggestiv mit ihrer Posaunen-Grundierung, der gehauchten Stimme und der barocken Instrumentierung. Das spontan entstehende Bild nimmt man gerne noch mit.
Bewertung: ★★★☆
Dieter Wiene
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