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KOMYO GA TSUJI (Reijiro Koroku)

EMI Classics TOCT-26011 [50:21 / 15 Tracks]

In der CINEMA MUSICA Nr. 1 widmeten wir uns den NHK Epic Drama Themes, welche in Form von Musik-DVDs bzw. CDs vorgestellt wurden, allerdings nur für den Zeitraum 1963 – 2002. Zur Erinnerung: bei den NHK Epic Dramas handelt es sich um eine jeweils auf ein Jahr begrenzte japanische Serie, die sich historischen Stoffen annimmt und die musikalisch von vielen der bedeutendsten japanischen Komponisten begleitet wurde und wird. Die NHK Epic Dramas sind natürlich nicht im Jahre 2002 stehen geblieben, was folgende Übersicht zeigen wird, die als Ergänzung zur Tabelle in CINEMA MUSICA Nr. 1 (Seite 16) verstanden werden soll:

Leider sind die NHK Epic Dramas bei uns vollkommen unbekannt, deshalb soll an dieser Stelle auf folgende Internetseiten verwiesen werden, die weitere interessante Informationen liefern:

http://en.wikipedia.org/wiki/Taiga_drama
http://wiki.d-addicts.com/Category:NHK_Taiga
http://wiki.d-addicts.com/Komyo_ga_Tsuji

Der letzte Link bezieht sich auf das Jahr 2006 und Komyo Ga Tsuji, der in dieser Rezension, als auch über ein Interview mit Emmanuel Pahud, vorgestellt werden soll. Das Interview mit Herrn Pahud können Sie in Ausgabe 6 der CINEMA MUSICA nachlesen.

Wie bereits der Tabelle zu entnehmen ist, stammt die Musik zum aktuellen NHK Epic Drama von Reijiro Koroku. Lesern, die sich ein wenig mit japanischer Filmmusik beschäftigt haben, könnte der Namen bereits bei Godzilla 1984 begegnet sein. Hierfür schrieb Koroku eine solide Monstermusik, durchaus handwerklich gekonnt, allerdings ohne größere Highlights und zudem mit Militärmärschen versehen, die mir persönlich ein wenig zu dicht an Elgers „Pomp and Circumstances“ angelegt sind. Daneben komponierte Reijiro Koroku auch die Musik zur Computer-/Videospielserie Kessen, wobei Teil 1 die für mich beste Musik aus diesem Genre ist, trotz Giacchino und Lennertz. Auch bei den NHK Epic Dramas ist er kein Unbekannter; die rund 30 auf CD vorliegenden Minuten zu Hideyoshi (NHK Epic Drama 1996) wurden bereits in Cinema Musica Nr. 1 vorgestellt. Der größte Unterschied zu Komyo Ga Tsuji: Hideyoshi ist tendenziell eher minimalistisch und zugleich meditativ angelegt, bei Komyo Ga Tsuji überwiegt schwelgerische, asiatische Sinfonik.

Bemerkenswert ist, dass reichlich Prominenz aus der Musikszene bei der Einspielung von Komyo Ga Tsuji involviert war, beispielsweise das NHK Symphony Orchestra mit Dirigent Vladimir Ashkenazy (Tracks 1, 3) oder Emmanuel Pahud der für mehrere Tracks den Flötenpart beisteuerte. Der 1970 in Genf geborene Pahud gewann u. a. bei internationalen Musikwettbewerben in Duino (1988), Kobe (1989) und Genf (1992) jeweils den ersten Preis und machte sich als Soloflötist bei den Berliner Philharmonikern weltweit einen Namen. Bei drei Tracks (1, 11 und 15) begleitete Reijiro Koroku zudem das Orchester mit dem Keyboard, für die Synthesizerprogrammierung bei den Titeln 1, 2, 11 und 15 war Yoshichika Kuriyama verantwortlich. Soviel zu den Beteiligten, nun zur Musik:

Der Main Title (Track 1) bei den NHK Epic Dramas lässt sich als Visitenkarte des Komponisten beschreiben – man denke nur an den Sampler NHK Epic Drama Themes (vgl. Cinema Musica Nr. 1) – und so präsentiert Reijiro Koroku in 2:45 Minuten gleich mehrere ineinander verschachtelte Motive die zu einem Ganzen verschmelzen. Dominierend sind hier die Blechbläser, welche so nach 45 Sekunden erst wenig, dann schnell zunehmend rhythmisch unterlegt werden, insbesondere durch Elektronik. In den darauf folgenden Tracks, aber auch bspw. Titel 14 wird der Main Title in variierter Form aufgegriffen. Ein weiterer sehr schöner Einfall ist erstmals in Track 4 zu vernehmen, wunderbar, wie Koroku in Track 6 gar beide Ideen miteinander verbindet.

Sehr elegant kommt zuvor in dem mit „Winter“ betitelten sowie bereits angesprochenen, vierten Stück das Flötenspiel von Emmanuel Pahud zu tragen, das den Hörer schnell für sich zu gewinnen weiß. Dieses bildet gleichzeitig den Auftakt für die Jahreszeiten, welche in je einem Track über die CD verteilt präsentiert werden.

Insgesamt kann Komyo Ga Tsuji überzeugen. Die zahlreichen, nicht alle hier angesprochenen, Ideen ergänzen sich hervorragend und garantieren ein in sich geschlossenes, gekonnt umgesetztes Hörerlebnis. Auf die elektronischen Rhythmen, wohl dem Media Ventures Zeitgeist geschuldet, hätte Reijiro Koroku meinetwegen gerne verzichten können, zum Glück kommen diese in den gesamten 50 Minuten aber kaum zur Geltung. Mit dem vorgestellten NHK Epic Drama Score kann man ein japanisch geprägtes und zugleich schwelgerisches Hörvergnügen erwarten, welches nicht enttäuscht. Etwas aus dem Rahmen fallen die Suspense-Passagen (Titel 2 und 10) und ebenso die stellenweise durch Elektronik recht poppig wirkende japanische Melodie in Track 11 welche den Sommer repräsentiert. Wer Gefallen an den melodiös, asiatischen Stellen in Memoirs of a Geisha (Williams) oder The Promise (Badelt) gefunden hat, der sollte bei diesem Score ohne Bedenken zugreifen können – wer es lieber abstrakt und dissonant mag, der sollte sich eher mit anderen CDs beschäftigen. Mein persönliches Fazit: Komyo Ga Tsuji ist eine sehr willkommene musikalische Bereicherung der NHK Epic Dramas und gehört zum Besten, was mir 2006 begegnet ist.

Bewertung: ★ ★ ★ ★
Jürgen Himmelmann