
Sunday, Blood Sunday
Beinahe hatte man die Hoffnung schon aufgegeben, dass John Schlesingers Meisterwerk Sunday Bloody Sunday hierzulande noch auf DVD erscheint. Unmittelbar nach dem 1968 entstandenen Meisterwerk Asphalt-Cowboy gedreht, ist der Film noch immer einer der ehrlichsten und berührendsten Filme, die je zum Thema gleichgeschlechtliche Beziehungen gedreht wurden. Bis heute ist Sunday Bloody Sunday zudem auch einer der wenigen Filme, die sich dem Thema nicht nur mit Respekt und Sensibilität, sondern auch mit unvoreingenommenem Grundverständnis nähern. Schlüsselperson der Handlung ist der bisexuelle junge Mann Bob Eikin, der mit dem Arzt Dr. Daniel Hirsh liiert ist. Bob pflegt auch eine Beziehung zur Karrierefrau Alex Greville. Als sich der junge, flügge Bob entscheidet, wegen möglicher Karrierechancen von London nach New York zu ziehen, werden Hirsh und Greville mit der Existenz des jeweils anderen, unbekannten Nebenbuhlers konfrontiert… Sowohl Peter Finch als Dr. Hirsh wie auch Glenda Jackson in der Rolle von Alex Greville liefern eindrucksvolle Darstellungen. Vor allem Finchs differenziertes Spiel gibt der Figur des homosexuellen Arztes berührende Glaubwürdigkeit, die zu keiner Zeit zum Klischee verkommt. Filmmusikalisch außerordentlich ist das Zusammenspiel einer Aufnahme aus Mozarts Cosi Fan Tutte und Ron Geesins ergänzenden Kompositionen. Zunächst verwendet Schlesinger die Opernaufnahme lediglich, um das sensible Wesen Daniel Hirshs nachzuzeichnen, doch mehr und mehr wird das Stück zu einem kraftvollen musikalischen Ausdruck der unglücklichen Dreiecksgeschichte. Wer sich für kunstvolles, emotionales Kino, das nie die Grenze zum Kitsch überschreitet, interessiert, der wird von Sunday Bloody Sunday begeistert sein. Die bei CMV erschienene DVD ist eine schöne Edition. Neben der sehr gelungenen Kinosynchronisation findet sich der englische Originalton. Ein originaler Trailer und eine Bildergalerie runden die Scheibe ab.
Waffenstillstand
Regisseur Lancelot von Naso suchte sich für sein Langspielfilmdebüt Waffenstillstand einen kontroversen und hochaktuellen Stoff aus. Erzählt wird von wahren Geschehnissen, die sich 2004 im Irak ereigneten. Es herrscht ein zweitägiger Waffenstillstand zwischen irakischen Rebellen und der amerikanischen Armee. Beteiligte einer Hilfsorganisation versuchen in diesem kurzen Zeitfenster, dringend benötigte Medikamente in das besetzte Falludscha zu bringen. Begleitet werden sie vom ehrgeizigen Fernsehjournalisten Oliver. Im Laufe der Mission geraten sie zwischen die feindlichen Fronten und müssen einsehen, dass die Amerikaner ihrem Vorhaben gleichgültig und wenig unterstützend gegenüber stehen. Im Kino etwas untergegangen, trotz überwiegend wohlwollender bis guter Presse, ist die nun bei 3L erschienene DVD eine gute Gelegenheit, den Film in Ruhe zu sichten. Zunächst überraschend für einen gegenwärtigen deutschen Film ist das politisch brisante Thema, das in entsprechend dynamischen, am Actionkino orientierten Bildern eingefangen wird. Damit folgt Waffenstillstand einem Trend, sich in der dramaturgischen Gestaltung an amerikanischen Vorbildern zu orientieren. Leider laufen manche potentiell emotionsgeladene Szenen ins Leere, weil es der Regisseur nicht gänzlich versteht, leise zwischenmenschliche Töne in behutsame Bilder umzusetzen. Auch fällt eine Identifikation mit den Figuren schwer, da es zwischen ihnen kaum Konfliktpotential gibt. In von Nasos Versuchsanordnung sind alle Gruppenbeteiligten überzeugte Aktivisten, selbst die ansatzweise kontroverse Figur des jungen Reporters bildet keinen ernstzunehmenden Gegenpol. Die Musikuntermalung von Oliver Thiede und Jonas Bühler ist insgesamt zurückhaltend und beschränkt sich auf flächige, weitläufige Soundkulissen und dezent eingestreute orientalische Einflüsse. Insgesamt ist Waffenstillstand ein fesselnder Film, der ohne die emotionalen Beweggründe seiner Figuren auszuloten, eine Kriegsgeschichte erzählt. Die fehlenden Zwischentöne macht der Film durch eine zielgenaue Dramaturgie wieder wett. Die empfehlenswerte DVD bietet hochwertige Extras. Neben wirklich gehaltvollen Interviews gibt es auch einen Blick auf die Dreharbeiten.
Overlord
Stuart Coopers Overlord ist eine kleine Perle. Tom Beddows erlebt im englischen Rekrutenalltag des Zeiten Weltkrieges die Vorbereitungen seiner Einheit zum sogenannten „D-Day“. Der Film befasst sich dabei mit den Gedanken und Ängsten des jungen Rekruten und seinen wandelnden Ansichten auf die Welt und seine Zukunft. Overlord geht in seinen Schilderungen im Bereich des Anti-Kriegsfilmes dabei einen speziellen Weg. Er ist meditativ, realitätsnahe Details vermischen sich mit Traumsequenzen. Der Film, eine Auftragsarbeit für das britische Imperial War Museum nach zeitgenössischen Tagebücher von britischen Soldaten inspiriert, führt den Schrecken des Krieges, das unerträgliche Warten auf den Einsatz und die Fragen an die eigene Existenz als Begleiterscheinung auf traumhaft schöne, fast intim-zärtliche Weise vor. Hier liegt auch die große Stärke des Films, dass er trotz dieses ungewöhnlichen Ansatzes niemals das Grausame eines militärischen Konflikts aus den Augen verliert. Cooper und sein Kameramann John Alcott, der auch für Stanley Kubrick arbeitete, benutzten bei den Dreharbeiten eine zeitgenössische Kamera, welche durch ihre spezielle Technik dem Film dokumentarischen Charakter verleiht, die zugleich harmonisierend wie auch in Kontrast zum Inhalt steht. Zwei große Ebenen stellt der Film als konträr und zugleich aufeinander bezogen dar – die große Kriegsmaschinerie mit ihrer todbringenden Technik sowie das einzelne Individuum darin, das nur in der Masse zählt. Der zynische Begriff des „Menschenmaterials“ als Ausdruck der Verlorenheit des Einzelnen im Ganzen ist ein zentrales Thema des Films. Die Musik von Paul Glass hält sich dabei wohltuend zurück und verfällt nie der Versuchung, unnötige Emotionen zu erzeugen, die kitschig wirken könnten. Nach dem damaligen Kinoeinsatz und dem Gewinn des Silbernen Bären auf den Berliner Filmfestspielen 1975 geriet der Film nicht nur hierzulande schnell und zu Unrecht in Vergessenheit. Erst als 2004 eine Dokumentation Ausschnitte des Films verwendete setzte eine Renaissance ein, die nun vom Label Bildstörung mit dieser DVD-Veröffentlichung auf Deutschland ausgeweitet wird. Die DVD überzeugt dabei wie bisher alle Editionen des Labels. Bild und Ton sind absolut zufrieden stellend. Neben dem englischen Originalton mit optionalen deutschen Untertiteln gibt es nach langer Zeit wieder die Möglichkeit, sich die gelungene deutsche Synchronisation zu Ohren zu führen. Die lange Reihe der Extras umfasst einen Audiokommentar mit Regisseur Stuart Cooper, Interviews mit Darsteller Nicholas Ball, Kameramann Doug O’Neons und Filmarchivar Roger Smither, den Kurzfilm A Test of Violence von Stuart Cooper, einen Wochenschau-Film von 1943 sowie einen parodistischen Propagandaclip von 1941, die beide im Film Verwendung finden. Wie bei Bildstörung üblich wird das ganze abgerundet von einer gelungenen Covergestaltung und dem 36-seitigen Beiheft mit Hintergrundinfos und Interpretations- sowie Diskussionsangeboten an den Zuschauer.
Das Lager
Das Lager ist das Debüt des jungen Regisseurs Tom Roberts. Erzählt wird von einer kleinen Gruppe deutscher Kriegsgefangener, die im Winter 1946 in einem russischen Frauengefängnis festgehalten werden. Es kommt zu Spannungen zwischen den inhaftierten Frauen und den deutschen Kriegsgefangenen. Die Frauen sehen in den Soldaten stellvertretend die Mörder ihrer Familien. Im Auftrag des Offiziers Pavlov soll die Ärztin Natalia herausfinden, ob sich unter den Deutschen SS-Angehörige befinden. Was nicht zu erwarten war – Natalia verliebt sich in den Häftling Max… Die Musik von Dan Jones, unter anderem verantwortlich für den Score von Shadow Of The Vampire, ist großflächig orchestral, leidet gelegentlich aber etwas unter der sehr geräuschintensiven Abmischung des Sound Designers Max Bygrave. In distanzierten Bildern gehalten wirkt Das Lager zunächst befremdlich unterkühlt. Der Ansatz der „kühlen“ Bilder macht allerdings dramaturgisch Sinn, denn dadurch wird die eisige Kälte des Winters und der trostlose Lageralltag auch optisch spürbar. Versöhnlich stimmen die teilweise außerordentlichen Leistungen der Darsteller. So wirkt John Malkovich in der Rolle des russischen Offiziers bedrohlich und einschüchternd. In weiteren Rollen zu sehen sind Thomas Kretschmann, Daniel Brühl sowie die oscar-nominierte Darstellerin Vera Farmiga. Das Lager ist insgesamt ein mehr als empfehlenswerter Film, auf den man sich einlassen sollte und muss. Die DVD von Sunfilm ist ausgezeichnet. Der Ton liegt wahlweise in Deutsch und Englisch in Dolby Digital 5.1 vor. Erscheinen wird der Film auch auf Blu-Ray.
2 Tage in Paris
Unbeschwerte, leichtfüßige Unterhaltung bietet dagegen die Beziehungskomödie 2 Tage Paris, das erfolgreiche Regiedebüt Julie Delpys. In einem Zeitfenster von zwei Tagen begleiten wir die Französin Marion und ihren amerikanischen Freund auf einem Trip durch Paris. Dabei entstehen allerlei kuriose Situationen. Nicht nur, dass es amüsante Spannungen zwischen dem neurotischen Freund und den alternativen Eltern Marions gibt. Dazu kommt noch, dass sich ein ehemaliger Freund Marions unverhohlen wieder an sie heranmacht… Der in den Hauptrollen mit Julie Delpy und Adam Goldberg glänzend besetzte Film ist ideal für einen romantischen Winterabend. Wenn die Tage draußen länger und die Nächte immer kälter werden, dann kann man sich hier in die Bettdecke kuscheln. 2 Tage Paris pendelt ständig zwischen typisch französischem Flair und den turbulenten Situationen klassischer Screwballkomödien. Dazu kommt eine sympathische, vor Lebenslust überquellende Filmmusik, die genau wie Buch und Regie von Julie Delphy stammt. Die Musik klingt nicht von ungefähr nach der Lässigkeit Sechziger-Jahre-Pop-Songs. Die DVD von 3L bietet gute Vorraussetzungen für einen rundum gelungenen Filmabend. Die Bildqualität ist hervorragend und der Ton liegt in Dolby Digital 5.1 vor. An Extras werden unter anderem nicht verwendete Szenen und ein ausführlicher Premierenbericht geboten.
Karate, Küsse, blonde Katzen
Abschließend noch ein besonderer Filmtipp für das zu Ende gehende DVD-Jahr – Karate, Küsse, blonde Katzen. Es begab sich im schönen Jahre 1970, dass die umtriebige Produktionsfirma Rapid Film, angespornt durch die Kassenerfolge deutscher Aufklärungsfilme von Oswald Kolle und Co. , mit dem ersten Teil des Schulmädchenreport eine einspielträchtige Goldader anbohrte, die sich ein Jahrzehnt reichlich schröpfen ließ. Anfangs aus Zensurgründen noch mit pseudo-wissenschaftlichem Überbau, brachen sich ab 1973 mit dem Lederhosen- und Dirndlwerken klamottenhafte, herb-zotige Vertreter des Sexfilmes ihre Bahn in die Lichtspielhäuser teutonischer Gefilde. Just in diesem Jahr ließ der Filmeinkäufer Dieter Wahl ein fernöstliches Kampfsport-Abenteuer als Testballon auf die bundesrepublikanischen Leinwände hernieder. Das Schwert des gelben Tigers wurde ein beachtenswerter Erfolg und löste eine Welle an Kung-Fu-, Schwertkampf- und anderen asiatischen Action- und Historienepen aus. Was lag also näher, dachte sich Rapid-Chef Wolf C. Hartwig, als beide Genres miteinander zu verknüpfen; für doppelten Erfolg an der Kinokasse. Nun, dermaßen erfolgreich war der Film dem Vernehmen nach nicht, aber wohl recht einträglich. In jedem Fall ist eine einmalige Kuriosität im deutschen Filmkanon dabei entstanden. Karate, Küsse, blonde Katzen stellt die einzige deutsche Koproduktion mit der legendären Shaw Brothers Filmproduktion dar, die als Synonym für Qualität und perfekte Kampfchoreographien im Eastern-Genre galt und bis heute gilt. Darauf war man augenscheinlich sehr stolz, so stolz, dass man, unüblich für Co-Produktionen jener Zeit, sich im Vorspann lediglich als Mitproduzent ausgab. Und so reiste eine kleine deutsche Crew um Schulmädchen-Report-Regisseur Ernst Hofbauer ins Land der aufgehenden Sonne, um einen Film abzudrehen, den es in dieser inhaltlichen Zusammenstellung so nie wieder geben sollte. Enter the seven virgins, so der englischsprachige Titel, ist interkultureller Trash in nahezu Vollendung. Die Kampfszenen sind sicherlich nicht „State-of-the Art“, aber allemal recht kurzweilig und solide gefilmt, und können den Umstand, dass die Kampfkunst der titelgebenden Hauptdarstellerinnen recht weit vom schwarzen Gürtel entfernt liegt, unterhaltsam kaschieren. Ansonsten ist es wirklich bemerkenswert, dass es kaum Szenen gibt, in denen die holden Wesen nicht von vorneherein oder irgendwann mittendrin ihrer Kleidung ganz oder zumindest teilweise verlustig gehen. Als Sahnehäubchen obendrauf gibt es noch eine weitere, dritte Zutat aus der Küche der erfolgreichen Kinounterhaltung jener Tage. Mit seiner freien, von spontanem und teilweise absurdem Humor durchdrungenen Synchronarbeit für Komödien, unter anderem von Bud Spencer und Terence Hill, war Rainer Brandt zu der Zeit einer der gefragtesten Synchronbuchautoren und auch Synchronsprecher. Der Erfolg seiner „Schnodder-Synchros“ brachte natürlich andere Studios auf den Plan. Und so bekam auch dieser Film in München eine deftige Kalauer-Eindeutschung spendiert, in der Essen schon mal wie „alter Oppa hinter”˜m linken Ei“ schmeckt, oder einer der Oberschurken im Keller für das „Sportabzeichen“ übt. Das alles zusammengemixt ergibt einen Trashhammer allererster Güte und darf als Paradebeispiel einer sogenannten „Guilty Pleasure“ herhalten. Zusammengefasst ist Karate, Küsse, blonde Katzen einfach, nun ja… anders und eine Fundgrube für Filmfeinschmecker mit offenem Herzen für das „besondere“ Erlebnis. Filmmusikalisch gibt es eine Mischung aus fernöstlicher Shaw-Brothers-Musik und dem leichten Klang des deutschen Softsexgenres. Die Veröffentlichung von Camera Oscura ist auch dieses Mal wieder gelungen. Bild- und Tonqualität sind für das Alter des Films mehr als annehmbar, neben der deutschen Synchronisation gibt es noch englische Untertitel mit an Bord. Als Bonus befinden sich die gut dreiteilige, fast 45 Minuten lange, deutsche Super-8-Fassung des Films, der deutsche Kinotrailer sowie ein kleines Booklet mit Informationen zum Film in englischer und deutscher Sprache auf der DVD.