
Gainsbourg – Popstar, Poet, Provokateur. Die filmische Biographie von Serge Gainsbourg, dem Enfant terrible der französischen Musikbranche ist eine unentschlossene Sache. Das Geschehen hinterlässt die Zuschauer seltsam unbeteiligt. Ohne große emotionale Höhen und Tiefen werden exemplarische Lebensstationen des Musikers und Komponisten abgehandelt, wirken dabei zuweilen kühl und oft distanziert. Das mag überraschen, bei einem solch wilden, exzentrischen, maßlosen Leben wie es der portraitierte Gainsbourg geführt hat. Worin liegen die Gründe für das Scheitern des Films? Die Stärke des Regisseurs Joann Sfar ist die visuelle Bildgestaltung, weniger aber die Schauspielerführung. Entsprechend sieht jede Szene geradezu wie geleckt aus, es stimmt jedes Detail der Auslichtung, Komposition und Dramaturgie, aber die Darsteller bewegen sich ausnahmslos wie im sprichwörtlichen leeren Raum, agieren nebeneinander. Diese „Starre“ wird gelegentlich durch die Musik aufgebrochen, oft Originalaufnahmen des Künstlers. Leider gibt es zwischen Ton und Bild eine enorme Schere. Gainsbourg sieht aus wie ein Film von 2010, will aber die Sechziger, Siebziger Jahre beleuchten. Hochglanzoptik und wildes Zeitkolorit – das passt nicht zusammen. Die DVD/Blu Ray von Prokino dagegen ist exzellent. Das Bild und der Ton, wahlweise in deutsch und französisch, sind sehr gut. Auch die Extras, auf DVD 40 Minuten und auf Blu Ray 61 Minuten, sind vielfältig. Neben Videoclips finden sich ein Making Of und exklusiv auf Blu Ray 15 nicht verwendete Szenen.
Pianomania
Die deutsch-österreichische Koproduktion Pianomania ist eine liebevoll gemachte Dokumentation über Stefan Knüpfer, den leitenden Techniker von Steinway Austria. Der gleichnamige Flügel spielt im Film eine entsprechend große Rolle, vor allem die penible, akkurate Pedanterie, mit der Knüpfer und andere „Pianobauer“ an den hochwertigen Instrumenten arbeiten. Den Rahmen des Films bildet Bachs Kunst der Fuge, die von Pianist Aimard aufgenommen wird. Über ein Jahr arbeiten beide darauf hin, immer wieder unterbrochen durch „Rückschläge“. Eine schöne Szene ist etwa, als Aimard mit der Klangqualität des Pianos nicht einverstanden ist. In Windeseile muss nun ein Ersatzflügel gefunden werden, was eine organisatorische Meisterleistung ist. Die Musik ist das Bindeglied der Szenen. Es gibt wohl kaum einen vergleichen Film, der ähnlich anschaulich zeigt, wie unendlich kleinteilig Musikaufnahmen sein können, bis man zur optimalen Aufnahme kommt. Die lohnenswerte DVD ist über Farbfilm Home Entertainment zu erhalten.
Mondo Candido – Blutiges Mädchen
Die Sensation des DVD-Jahres ist sicherlich Mondo Candido – Blutiges Märchen von Gualtiero Jacopetti und Franco Prosperi. Eigentlich waren beide 1974 längst als anerkannte, wenn auch umstrittene Dokumentarfilmer weltweit bekannt. Ihre Mondo-Cane-Reihe ist auch heute noch legendär. Für politischen Zündstoff sorgte die Dokumentation Africa Addio!, die immer hautnah am Geschehen, für viele zu sehr in das Geschehen involviert war. 1971 folgte dann mit Addio, Onkel Tom einer der missinterpretiertesten Filme in der Geschichte des Kinos. Formal wie eine Dokumentation inszeniert, sollte der Film eine Kritik am amerikanischen Sklavenhandel und der Ausbeutung afrikanischer Sklaven sein. Die Reaktionen der Öffentlichkeit waren aber Anfeindungen bis hin zum Faschismusvorwurf. Dabei ist Addio, Onkel Tom eine grimmige Farce, überhöht in der Darstellung und von bitterbösem Humor. Auch heute noch bietet der, formal und inhaltlich auch höchstem Niveau inszenierte Film, eine gewaltige Angriffsfläche für politisch und intellektuell am Mainstream orientierte Zuschauer. Jacopettis und Prosperis Filme waren also nie Produktionen für den kleinsten gemeinsamen Nenner! Die dramatischen, oft radikalen Inhalte, wurden dabei von der Musik Riz Ortolanis konterkariert. Für Mondo Cane schrieb Ortolani sogar einen Welthit – More gehört heute für viele zu den schönsten Filmmusiksongs der Sechziger Jahre. Mondo Candido schließlich war der letzte Film des Duos, das sich zu dieser Zeit bereits voneinander entfremdet hatte. Für Gualtiero Jacopetti war die freie Adaption einer Vorlage Voltaires ein Herzensprojekt. Im Gegensatz zu Addio, Onkel Tom gibt dieser Film nicht vor, eine Dokumentation zu sein. Erzählt wird die Geschichte des jungen Candide, der wegen einem Techtelmechtel mit der Königstochter aus dem idealen Märchenschloss in einer idealen Welt verbannt wird. Von nun an begibt sich der naive, immer optimistische Jüngling auf die Suche nach seiner geliebten Herzensdame und muss den Unbill und die Schrecken der realen Welt erleben. Am Ende erkennt er, dass sich die Beschaffenheit der Welt immer nur aus der Perspektive des Betrachters ergibt. Er sieht ein, dass all sein Streben, seine Hoffnungen und sein Idealismus doch nichts genutzt haben. Jede junge Generation steht vor ähnlichen Problemen und trifft die gleichen Fehlentscheidungen. Aus Fehlern lernen künftige Generationen nie, so die Botschaft. Geben Jacopetti und Prosperi der Menschheit dann überhaupt noch eine Chance? Im Grunde nicht! Ebenso wie Voltaire mit seinem Candide die Idee einer „besten aller möglichen Welten“ von Gottfried Wilhelm Leibnitz kritisierte, nutzen Jacopetti und Prosperi die filmischen Mittel zum Rundumschlag gegen die egoistisch-zerstörerische Natur des Menschen. So ist hier die von Jaques Herlin gespielte Rolle des Hofphilosophen kennzeichnend, der immer wieder betont, er lebe in der bestmöglichen aller Welten – egal ob ihn die Syphilis ereilt, ihn die Satanasten bedrohen oder der Henkersstrang auf ihn wartet. Mondo Candido ist ein wilder Traum, ein regelrechter Atmosphärenrausch, wie es ihn im Kino selten zu erleben gab. Zuweilen ist der Film übertrieben symbollastig, zuweilen wirkt der Humor ätzend wie Batteriesäure. Die Optik und die visuelle Gestaltung haben dagegen etwas poetisch-märchenhaftes. Neben dem Visuellen kommt auch der Musik ein besonderer Stellenwert zu. Riz Ortolani zieht hier alle Register seines Könnens. Vom überschwänglichen, süßlich-kitschigen Leitthema über ergreifende Liebesthemen bis hin zu schaurig-schöner Beatmusik ist alles vertreten. Hoffnung geben also jedenfalls Künstler wie die beiden Regisseure, oder auch der Komponist Ortolani, die dem mörderischen Treiben der Welt einen bizarren, unbequemen und dennoch faszinierenden Spiegel vorhalten. Die DVD-Edition von Camera Obscura ist deshalb ein kleines Geschenk. Die erste DVD bietet den Film in hervorragender Qualität, zudem auch, neben dem italienischen Ton, optional in der göttlichen deutschen Synchronfassung. Hier sprechen beispielsweise der unvergleichliche Gerd Martienzen oder der junge Thomas Danneberg. Auf der zweiten DVD findet sich erschöpfendes, eigens produziertes Bonusmaterial. Neben einem fast zweistündigen Interviewfeature mit Prosperi und Jacopetti gibt es unter anderem Features zur Ausstattung oder einen Audiokommentar. Ein besonderes Extra ist das umfangreiche Booklet mit einem Text von Federico Caddeo.
Maigret und sein größter Fall
In der Edition Klassiker der Moderne veröffentlicht 3L in vorbildlicher Weise sträflich vernachlässigte deutsche Filmschätze. So ist beispielsweise Alfred Weidenmanns Maigret und sein größter Fall eine echte Entdeckung. Heinz Rühmann schlüpft hier in die titelgebende Rolle des bekannten Kriminalisten. Der spektakuläre Kunstraub in einem Museum in Paris bringt ihn unter anderem auf die Spur eines drogenabhängigen Musikers, gespielt von Günther Stoll. Spannend, lakonisch und mit einem großartigen Rühmann in der Hauptrolle ist dieser Film perfekte Kriminalunterhaltung. Die markante Titelmusik von Erwin Halletz ist zudem ein echter „Hinhörer“.
Mordprozess Dr. Jordan
Von Heinz Rühmann produziert wurde wiederum Mordprozess Dr. Jordan. Unter der Regie von Erich Engels entstand 1949 eine Mischung aus Kriminalfilm und Anklage gegen die Todesstrafe. Geschildert wird die juristische Aufarbeitung eines Mordes von 1912. Die Schwiegermutter von Dr. Jordan wird auf offener Straße erschossen, schnell fällt der Verdacht auf ihn und er wird verurteilt. Ist er unschuldig hinter Gittern? Musikalisch ist der Film hochinteressant, bietet er doch die seltene Gelegenheit, eine Filmmusik von Wolfgang Zeller auf DVD zu erleben.
Kinder, Mütter und ein General
Laslo Benedeks Kinder, Mütter und ein General von 1955 schließlich ist einer der wenigen deutschen Filme, die einen Golden Globe Award als Bester Fremdsprachiger Film gewinnen konnten. Die Geschichte aus den letzten Kriegstagen wartet mit einer großen Schauspielerregie auf. Neben dem jungen Maximilian Schell spielen Klaus Kinski, Hilde Krahl und Bernhard Wicki. Die dramatische Musik stammt von keinem geringeren als Werner Eisbrenner. An Extras werden ein alternatives Ende sowie der deutsche und der internationale Trailer geboten.
Überleben
Eine kleine Entdeckung bietet wieder einmal das Independent-Label CMV. René Cardonas Überleben basiert auf einer wahren Begebenheit. Im Oktober 1972 stürzt ein Flugzeug über den Anden ab. Die sich in der Maschine befindende Rugbymannschaft muss nun in der unwirtlichen eisigen Kälte überleben. Die Suchtrupps vermuten den Absturz an einer anderen Stelle, was zur Folge hat, dass die Gruppe nicht gefunden wird. Die Lebensumstände werden mit der Zeit immer extremer und die Nahrungsmittel knapp. Am Ende entschließen sich die Überlebenden dazu, Fleisch ihrer toten Kameraden zu verspeisen. Was Regisseur René Cardona hier abliefert ist ganz, ganz, ganz großes Trivialkino der Spekulationen. Ohne Schnörkel wird das Geschehen, bis hin zur finalen Rettung, geschildert. Dennoch geht von Überleben eine geheime, nicht erklärbare Faszination aus. Sind es die vielen Bilder von Menschen im Schnee? Sind es die immer wieder Dramatik vorgebenden kurzzeiligen Dialoge oder doch eher die statische Kameraarbeit, die immer wieder dazu zwingt, sich auf die Szene zu konzentrieren? Was, vor allem, trägt die monotone Filmmusik dazu bei? Auf unerklärliche Weise entfaltet das Zusammenspiel dieser „Einzelteile“ ein hypnotisches Etwas, dem man sich nicht so leicht entziehen kann! Die DVD bietet zudem die originale Langfassung in untertitelter Sprache.