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Von grenzenloser Freundschaft und der Kraft der Musik

In den Wirren des Zweiten Weltkriegs freunden sich drei Kinder an. Drei Wunderkinder, die sich durch gemeinsames Musizieren annähern und so auf ihre ganz eigene Art den Schrecken jener Zeit zu trotzen versuchen, bis ihre Freundschaft in einem fulminanten Finale auf die Probe gestellt wird und alles zu zerstören droht – sogar ihre Leben. Davon handelt Markus Rosenmüllers neuer Film Wunderkinder mit dem 14jährigen Geiger Elin Kolev, Gudrun Landgrebe und Konstantin Wecker, der seit dem 6. Oktober 2011 in den Kinos zu sehen ist. Der Soundtrack ist bei Colosseum erschienen und die Cinema Musica hatte die Gelegenheit, mit dem Komponisten Martin Stock zu sprechen.

Stephan Eicke: Wunderkinder spielt im Jahre 1941, als die Juden in Europa längst nicht mehr sicher sein konnten. Wie bist du vor diesem dunklen Hintergrund an die Konzeption des Hauptthemas, „Larissas Lied“ gegangen?
Martin Stock: Es ging bei der Konzeption des Freundschaftsliedes nicht so sehr um die Zeit des Krieges. Larissas Lied ist das Freundschafts-Lied, das Larissa für ihre beiden Freunde komponiert. Diese Freundschaft könnte natürlich auch in jeder anderen Kultur, zu einer anderen Zeit und unter anderen Umständen spielen.
Es geht in erster Linie um die tiefe Freundschaft zwischen drei Kindern – den zwei jüdischen Kindern Larissa und Abrascha und Hanna, dem deutschen Mädchen. Hanna hört die beiden in einem Konzert und ist so begeistert von ihnen, dass sie gerne mit den beiden Musik machen möchte. Tatsächlich treffen sie sich zum gemeinsamen Musizieren. Dabei entsteht eine Freundschaft, die alle Grenzen überwindet. Diese Freundschaft fasst Larissa in Töne und komponiert Larissas Lied.
Ich habe insgesamt 17 Themen entwickelt und letztendlich fünf von diesen vorgestellt. Die Wahl fiel dann schnell auf die im Film verwendete Version. Bei all diesen Themen habe ich versucht, mich in die Gedankenwelt eines 12-jährigen Mädchens zu versetzen: Was hat sie zu dieser Zeit bereits gehört oder im Unterricht gelernt, was kann sie technisch spielen? Das waren die ursprünglichen Überlegungen, bis es mir irgendwann regelrecht aus den Fingern geflossen ist. Dadurch ist es ein rein intuitives Stück geworden – eins von 17.

Im Film selber wird als sogenannter ”šSource-Cue”˜ „Larissas Lied“ gespielt. Das heißt, du musst schon vor Drehbeginn in die Produktion involviert gewesen sein.
Ja, ich war sehr früh eingespannt. Das ging gar nicht anders, denn wir hatten viele klassische Stücke, welche die Kinder im Film darstellen mussten. Abrascha (Elin Kolev) hat alle Stücke selber eingespielt. Für die Klavieraufnahmen haben wir die Pianistin Elena Kolesnitschenko verpflichtet. Die ganzen Klassiker haben wir vor dem Dreh aufgenommen – Larissas Lied inklusive – damit zu den Playbacks gedreht werden konnte. Eine große Herausforderung war für mich die Umsetzung einer Idee von Regisseur Marcus O. Rosenmüller. Der Ungarische Tanz von Brahms sollte aus verschiedenen Blickwinkeln inszeniert werden: Die Schnittmontage beginnt damit, dass Larissa und Abrascha im Zug zu einer Konzertreise üben. Abrascha packt seine Geige aus und spielt den Ungarischen Tanz, während Larissa ihn auf einem mechanischen Brettklavier begleitet. Von diesem Ersatz-Klavier hört man unter dem Geigenspiel nur ein Klackern, bevor die Szene in eine Konzertsituation überblendet, in der Elin Geige und Larissa Klavier spielen. Danach sehen wir im Film die Landschaftsbilder am Zugfenster vorbei rauschen und hören die Orchesterversion. Wie in einem Video-Clip wurde alles miteinander verschnitten. Die Herausforderung bestand darin, die unterschiedlichen Versionen des „Ungarischen Tanzes“ nahtlos in einem Gestus zu produzieren.

Das heißt, der Film wurde auch teilweise nach deiner Musik geschnitten?
Teilweise, ja. Nachdem ich die ersten fünfzehn Minuten der Rohschnittfassung gesehen hatte war ich überwältigt vom „Look“ des Films. Daraufhin habe ich sofort damit begonnen das Hauptthema Larissas Lied in alle möglichen Richtungen zu variieren und zu erweitern, um dem Regisseur die Möglichkeit zu geben meine Musik anzulegen, statt mit fremden Temp-Tracks zu arbeiten. Dadurch war ich mit der Filmmusik natürlich ein bisschen im Vorsprung, auch wenn diese Vorab-Tracks noch nicht genau mit dem Geschehen auf der Leinwand abgestimmt waren. Als ich dann aber später gesehen habe, wie exakt meine Musik zum Schnitt passte war ich echt beeindruckt. Es hatte tatsächlich etwas Magisches… Die wenigen Temp-Tracks, die mir noch vorgegeben wurden, habe ich dann noch durch meine Musik ersetzt, in der Larissas Lied oft nur fragmentarisch in Ansätzen vorkommt. Um den kompletten Score zu schreiben, zu orchestrieren und in Bratislava zu produzieren hatte ich schließlich zweieinhalb Wochen Zeit – eine Zeit, in der auch noch Weihnachten und Silvester lagen!

Die Zeit war demnach gar nicht so entspannt, obwohl du schon so früh involviert warst.
Ich habe nur aufgrund einer großartigen Droge durchgehalten: Ingwertee mit Zitrone und Honig. Auch muss auch sagen, dass ich durch meinen Orchestrator (Tilo Heinrich) einen großartigen Verbündeten mit im Boot hatte, der mir dann am Silvesterabend um 20 Uhr ein riesiges Paket mit dem gesamten Notenmaterial für unsere Orchesterproduktion in Bratislava überreicht hat.
Insgesamt war ich etwa 4 Monate mit Wunderkinder beschäftigt: einen großen Zeitraum nahm die Recherche und Vorproduktion der klassischen Konzertstücke in Anspruch. Die Entstehung und dramaturgische Bearbeitung von Larissas Lied war zeitlich ebenfalls sehr aufwändig. Den Score haben wir an einem Tag in zwei Sessions in Bratislava aufgenommen und ihn in einer aufwändigen Surroundmischung innerhalb von 3 Wochen fertig produziert.

Vielen Dank für deine Ausführungen.

Martin Stocks Homepage
Homepage des Films bei StudioCanal
Der Soundtrack zu Wunderkinder ist bei Colosseum erschienen.

Foto von Martin Stock mit freundlicher Genehmigung desselben