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Ludovic Bource ist Europas Filmkomponist des Jahres

Dieses Mal musste Berlin etwas länger darauf warten, wieder Gastgeber der Verleihung des Europäischen Filmpreises sein zu dürfen. Zwar findet die Verleihung turnusgemäß alle zwei Jahre in der deutschen Hauptstadt, die gleichzeitig Sitz der Europäischen Filmakademie ist, statt, doch hat man 2009 anlässlich der Kulturhauptstadt Essen die Verleihung ins Ruhrgebiet verlegt. So musste man in Berlin ungewöhnliche vier Jahre warten, ehe die Stars wieder nach Berlin kamen… Beziehungsweise nicht kamen. Weder Tilda Swinton noch Colin Firth erscheinen, um ihre Auszeichnung als beste Schauspieler (für We need to talk about Kevin (Swinton) und The King’s Speech (Firth)) entgegen zu nehmen. Auch der Gewinner des Preises für den Europäischen Film des Jahres ließ von seiner Frau sich vertreten. Gut, die Abwesenheit des eh schon öffentlichkeitsscheuen Lars von Triers muss man nach der Kontroverse, die er mit einigen ungeschickten und unsensiblen Aussagen am Rande des Filmfestivals von Cannes gemacht hat, anders bewerten als die Abwesenheit der Hollywoodstars Swinton und Firth, doch Gedanken darf man sich ob der wahr genommenen Bedeutung dieses Preise schon machen dürfen. Nichtsdestotrotz konnte Lars von Triers Melancholia mit drei Preis (Bester Film, Kamera und Szenenbild) die meisten an diesem Abend gewinnen.

Aber kommen wir zur Musik. Die diesjährigen Nominierungen für den Europäischen Filmpreis als „Europäischer Komponist“ stellten nichts anderes dar, als ein Duell der Giganten: Alexandre Desplat gegen Alberto Iglesias. Beide konnten bereits zweimal gewinnen, und Filmmusik ist erst seit 2004 fester Bestandteil des Europäischen Filmpreises. Und obendrein konnten die beiden jedes Mal gewinnen, wenn sie nominiert waren; Desplat 2007 und 2010; Iglesias 2006 und 2009. Jedes Mal? Nein, eine Ausnahme gibt es: 2004 traten die beiden das bislang einzige Mal gegeneinander an und es gewann ein Dritter. Möglich, dass sie 2004 noch nicht den Namen und Nimbus, den sie heute haben, hatten, doch mittlerweile sind sie ohne Zweifel Ausnahmeerscheinungen der europäischen Filmmusik – beide mit großem Talent, sich gute Filme für ihre Musik auszusuchen und mit großartigen Regisseuren zusammen zu arbeiten, die ihre Kreativität hervorragend einzusetzen wissen.

Ein Duell der Giganten… und doch, es freute sich ein Dritter. Der Preis für „Europäische Filmmusik 2011“ geht an Ludovic Bource für seine Musik für den Film The Artist von Regisseur Michel Hazanavicius. Eine Entscheidung, die ohne die Vorgedanken in Bezug auf Iglesias / Desplat eigentlich wenig überraschend ist, denn The Artist ist ein moderner Stummfilm, ein Film also bei dem es Natur der Sache ist, dass die Musik ganz anders, viel intensiver im Zentrum des Filmerlebens steht. Der Europäsiche Filmpreis ist wie der Oscar ein Academy-Award, Verleiher ist die Europäische Filmakademie und wie in ihrem Hollywood-Konterpart bestimmen auch hier keine ausgewiesenen Experten über den Preis, sondern Vertreter aller filmischen Gewerke.

Doch mit Ludovic Bources The Artist haben sie einen Volltreffer gelandet. So offensichtlich dieser Sieger zu sein scheint, so sehr muss man sich erstmal nicht von den großen Namen der anderen Wettbewerber blenden lassen, zumal Iglesias und Desplat ebenfalls für tolle Filme mit tollem Musikeinsatz nominiert waren (Iglesias: La piel que habito, Deplat: The King’s Speech; ferner lief: Mihàly Vig, nominiert für A Torinói ló von Bela Tar). Vielleicht hätte die Europäische Filmakademie diese Selbstständigkeit auch in anderen Kategorien zeigen müssen, dann wäre es vielleicht auch nicht so aufgefallen, dass bestimmte Darstellerpreisträger lieber zu Hause geblieben sind.

Aus musikalischer wie deutscher Sicht nicht uninteressant ist auch der Gewinn des „Prix Arte“ für den besten Dokumentarfilm durch Pina von Akademiepräsident Wim Wenders. Sein Portrait der 2009 verstorbenen Choreografin Pina Bausch ist ebenfalls Deutschlands für den Auslandsoscar, sowie als bester Dokumentarfilm. Wir dürfen gespannt sein.

Alle Preisträger in der Übersicht:

EUROPÄISCHER FILM 2011:
Melancholia (Dänemark, Schweden, Frankreich, Deutschland)
Regie und Drehbuch: Lars von Trier
Produzenten: Meta Louise Foldager und Louise Vesth

EUROPÄISCHER REGISSEUR 2011:
Susanne Bier für Hævnen (dt.: In einer besseren Welt)

EUROPÄISCHE SCHAUSPIELERIN 2011:
Tilda Swinton für We need to talk about Kevin

EUROPÄISCHER SCHAUSPIELER 2011:
Colin Firth für The King’s Speech

EUROPÄISCHES DREHBUCH 2011:
Jean-Pierre & Luc Dardenne für Le gamin au velo (dt.: Der Junge mit dem Fahrrad)

CARLO DI PALMA EUROPÄISCHER KAMERAPREIS 2011:
Manuel Alberto Claro für Melancholia

EUROPÄISCHER SCHNITT 2011:
Tariq Anwar für The King’s Speech

EUROPÄISCHES SZENENBILD 2011:
Jette Lehmann für Melancholia

EUROPÄISCHE FILMMUSIK 2011:
Ludovic Bource für The Artist

EUROPÄISCHE ENTDECKUNG 2011:
Adem (intl.: Oxygen) von Hans Van Nuffel (Belgien / Niederlande)

PRIX ARTE DER EUROPÄISCHEN FILMAKADEMIE FÜR DOKUMENTATION 2011:
Pina von Wim Wenders (Deutschland)

ANIMATIONSFILM 2011:
Chico & Rita von Tono Errando, Javier Mariscal und Fernando Trueba (Spanien / Isle of Man)

KURZFILM 2011:
The Wholly Family von Terry Gilliam (Italien)

PRIX EURIMAGESEUROPÄISCHER KOPRODUKTIONSPREIS:
Mariela Besuievsky (Spanien)

EUROPÄISCHER BEITRAG FÜR DAS WELTKINO 2011:
Mads Mikkelsen (Dänemark)

LEBENSWERKPREIS DER EUROPÄISCHEN FILMAKADEMIE:
Stephen Frears (Großbritannien)

BESONDERER EHRENPREIS DER EUROPÄISCHEN FILMAKADEMIE:
Michel Piccoli (Frankreich)

PUBLIKUMSPREIS 2011:
The King’s Speech von Tom Hooper (Großbritannien)

Weitere Informationen sowie alle Nominierungen finden sie auf den Webseiten der Europäischen Filmakademie und des Europäischen Filmpreises