
Sechs Jahre sind seit The New World, dem letzten Film von Terrence Malick, vergangen. Mit The Tree Of Life legte der als Legende geltende Regisseur den ebenso umstrittenen wie anerkannten Eröffnungsfilm der diesjährigen Filmfestspiele in Cannes vor. Malicks Werk ist weniger ein Spielfilm, denn eine Symphonie der Montage, der Musik und der Kontraste. Vordergründig eine Familiengeschichte im Amerika der 1950er, wird sehr bald ein großer Bogen von den Ursprüngen des Universums, den verschiedenen Stadien der tierischen und menschlichen Evolution bis hin in die Jetztzeit geschlagen. The Tree Of Life ist Malicks persönliche Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz, der Frage des Seins und der Transzendenz des Göttlichen. Auf diese Reise folgen ihm unter anderem die Schauspieler Brad Pitt und Sean Penn. Alexandre Desplat hat mit seiner Musik die komplexe Aufgabe diese Ebenen miteinander zu verbinden. Das gelingt, auch wenn die Komposition schwierig zu beurteilen ist. Im Grunde ist es keine ganzheitliche Musik, sondern, genau wie der Film, ein fragmentarisches Gebilde. Filmfreunde und Liebhaber anspruchsvoller Filme werden ihre Freude daran haben. Es ist ein Film zum fallenlassen, zum nachdenken, aber auch zum genießen. The Tree Of Life erscheint von Concorde als DVD- und Blu-ray-Variante. Vor allem die Blu-ray macht bild- und tontechnisch eine hervorragende Figur. Der Ton liegt wahlweise in deutsch und in englisch vor. An Bonusmaterial gibt es ein halbstündiges, sehr informatives Feature sowie diverse Trailer.
Der Leichenverbrenner
Der Leichenverbrenner ist, nach Jaromil Jires Valerie – Eine Woche voller Wunder, bereits das zweite tschechische Filmkleinod, das von Bildstörung veröffentlicht wurde. War Valerie ein traumhafter Märchenreigen mit Coming-of-Age-Subkontext, ist Der Leichenverbrenner von Juraj Herz eine bitterböse Parabel auf die Verwirrungen der menschlichen Psyche. Der 1969 entstandene Film ist ein expressionistischer Bilderreigen, der durch die kongeniale Musik von Zdenek Liska, eine zärtlich-grausige Komposition, nochmals verstärkt wird. Der Ort ist Prag Ende der 1930er. Karl Kopfrkingl führt ein bürgerlich, sehr angesehenes Leben. Sein Beruf ist der des örtlichen Leichenverbrenners. Für Kopfrkingl ist es Beruf und Berufung, zumal er, als überzeugter Buddhist, glaubt, Nächstenliebe, also die effiziente Verbrennung, praktizieren zu müssen. Als im Nachbarland die Nationalsozialisten erstarken, bildet sich Kopfrkingl zunehmend ein, mehr unschuldige Seelen vom Leben zum Tod befördern zu müssen… Was Juraj Herz hier geschaffen hat, ist eine Reise in das Herz der Finsternis, der man sich mehr und mehr hingibt… Die DVD-Edition ist sehr gelungen und bietet interessantes Zusatzmaterial. Der Ton liegt in tschechisch mit optionalen deutschen Untertiteln vor. Ein launiges Extra ist das Feature, in dem Herz nach 43 Jahren wieder die Drehorte, sprich Leichenhallen, besucht. In den dort geführten Gesprächen wird deutlich, welchen Stellenwert der Film im Entstehungsland auch heute noch hat. Neben einem Kurzinterview mit Herz findet sich auch ein sehr ausführlicher Audiokommentar von ihm. Ein fast vierzigseitiges Booklet, unter anderem mit einem analytischen Essay von Adam Schofield, rundet diese ansprechende Edition ab.
Jeder stirbt für sich allein
Pünktlich zum Jahresende gibt es noch eine weitere DVD-Überraschung. Alfred Vohrers Fallada-Verfilmung Jeder stirbt für sich allein ist einer der unterschätztesten deutschen Kinofilme der 1970er überhaupt. Erzählt wird die Geschichte des Berliner Ehepaars Quangel, dessen einziger Sohn kurz nach der Einberufung 1940 fällt. In tiefem Schmerz beginnt Anna Quangel Feldpostkarten in Berlin zu verteilen, in denen sie das System kritisiert. Polizei und Gestapo suchen nun nach den „Aufrührern“, für das Ehepaar Quangel wird es nicht gut ausgehen. Jeder stirbt für sich allein ist ein ergreifender Film mit einer tiefen, humanistischen Botschaft; eine echte (Wieder-)Entdeckung. In den Hauptrollen glänzen, mit trockenem Humor und Mütterlichkeit, Hildegard Knef und, der schnodderige, Carl Raddatz. In den Nebenrollen agieren einige der damals besten Berliner Schauspieler, darunter Hans Korte, Wilhelm Borchert, Peter Matic, Sylvia Manas, Martin Hirthe, Pinkas Braun und, und, und… Ein eindrucksvolles Ensemble also, das in dieser Zusammenstellung einzigartig ist. Exzellent ist auch die unprätentiöse Filmmusik von Gerhard Heinz, der hier zwischen moderatem Orchestereinsatz und großen Gefühlen pendelt. Der Ton liegt in deutsch und englisch vor. Die DVD bietet zudem ein sehr interessantes, knapp siebzigminütiges Interview mit dem verdienstvollen Kameramann Heinz Hölscher.
Navajo Joe
Erfreulich ist die Blu-ray-Auflage von Sergio Corbuccis Italowestern Navajo Joe. Filmhistorisch ist Navajo Joe von besonderem Interesse. Der von Burt Reynolds verkörperte Titelheld ist ein Indianer, damals wie heute für einen Kinofilm eher ungewöhnlich. Vordergründig eine typische Rachegeschichte überrascht der Film mit teilweise subtiler Charakterzeichnung und der, wie von Corbucci gewohnten, kraftvollen Regie. Auch die Filmmusik von Ennio Morricone verdient Beachtung. Während seine Musiken für Sergio Leones Western ironisch bis opernhaft sind, gleicht Navajo Joe eher einem Totengesang. Im einprägsamen Titelstück beispielsweise singt der Chor immer wieder den Namen des Helden. Qualitativ bietet die Disc eine deutliche Steigerung gegenüber der 2009 erschienenen DVD-Ausgabe. Die knackige Bildschärfe lässt das Panorama der spanischen Drehorte nochmals wesentlich brillanter aussehen. Koch Media hat zudem einen Masterfehler der Tonspur behoben, den es auf der DVD noch gab. Fehlten damals einige Sätze der Kinosynchronisation, so sind diese hier wieder enthalten. Wunderbar ist, dass auch der Blu-ray ein umfangreiches Booklet beiliegt, das nicht nur eine detaillierte Analyse des Films liefert, sondern auch Hintergrundfakten zu den Darstellern und der Musik. Weitere Extras sind verschiedene Features, unter anderem mit Interviews mit Ruggero Deodato, eine Bildergalerie und Trailer. Der Ton liegt in deutsch, englisch und italienisch vor.
David-Lynch-Box
Von Concorde auf DVD und Blu-ray erschienen ist eine David-Lynch-Box. Neben Mulholland Drive und Inland Empire ist hier nun endlich auch wieder Lost Highway zu erwerben. Die Filme sind ebenso wie Angelo Badalamentis Musiken hinlänglich bekannt und vielfach besprochen. Gerade Lost Highway gilt mittlerweile als moderner Klassiker. Im Gegensatz zu den älteren DVD-Auflagen wirken die Blu-rays, besonders bei Lost Highway, um ein vielfaches brillanter. Vor allem der Ton erweist sich als kleine Offenbarung, so dass die Klang- und Musikgestaltung wesentlich plastischer zu Geltung kommt. Das Bonusmaterial der Box ist überschaubar, aber sorgfältig ausgewählt. Es finden sich unter anderem Interviews, Making Ofs und Trailer.
Despair – Eine Reise ins Licht
Überraschend gelungen ist auch die Umsetzung des deutsch-französischen Rainer-Werner-Fassbinder-Films Despair – Eine Reise ins Licht. Lange Zeit nicht erhältlich, wurde er nun von Eurovideo auf DVD und Blu-ray veröffentlicht. Es ist Deutschland des Jahres 1931. Dirk Bogarde spielt den russischen Schokoladenproduzenten Herrmann, der in einer tiefen Lebenskrise steckt. Ein Landstreicher soll seinen Platz einnehmen, damit er abtauchen kann, um Luft zu holen. Mehr und mehr aber ist Herrmann der Überzeugung, dass er mit seiner bisherigen Existenz unzufrieden ist… Neben Bogarde in der Titelrolle spielen unter anderem Bernhard Wicki, Andréa Ferréol, Klaus Löwitsch und Gottfried John. Die Restauration ist gelungen und geht sehr sensibel mit dem Filmmaterial um. Gerade bei älteren Filmen ist die digitale Restauration heikel, oftmals haben die Restauratoren geringes Verständnis für den besonderen „Kino-Look“. Das ist hier aber nicht der Fall, so ansprechend hat man den Film sicher letztmalig bei der Kinopremiere 1978 gesehen Der in deutsch und englisch vorliegende Ton klingt sauber und dynamisch. Ein besonderes Extra ist Robert Fischers siebzigminütige Dokumentation Erinnerungen an Rainer Werner Fassbinders Despair. Hier bekommt der Filmfreund zahlreiche zeitgenössische Originalaufnahmen und Eindrücke von Filmset zu sehen. Alles in allem also eine sehr gelungene Veröffentlichung.