
Außerhalb Italiens war Pupi Avatis Das Haus der lachenden Fenster lange Zeit unbekannt, fristete ein Schattendasein hinter den bekannteren Werken der Argentos, Bavas und Fulcis. Mit der ersten DVD-Auflage im Heimatland und weiteren Ausgaben in der westlichen Hemisphäre sprach sich in Fankreisen jedoch schnell herum, dass La casa dalle finestre che ridono einen echten Geheimtipp aus der italienischen Genre-Schmiede der 1970er Jahre darstellt. In Synchron-gewohnten deutschen Gefilden sah es mit einer Veröffentlichung jahrelang, ob einer fehlenden Lokalisation und den damit verbundenen hohen Erstausgabekosten, eher düster aus. Umso schöner, dass sich die kleinen Indepent-Label CMV und `84 Entertainment zusammengeschlossen haben, um diesen Umstand zu beenden. Die nun vorhandene, eigens erstellte Synchronisation ist, um es vorweg zu nehmen, durchaus gelungen und atmet in ihren besten Momenten den Hauch der guten alten Eindeutschungen der 1970er- und 1980er-Jahre. Kleinere Qualitätsabfälle in punkto Betonung und Stimmgabe, vor allem der weiblichen Rollenbesetzung, ändern nichts am positiven Fazit, dass der Film auch mit deutscher Sprachausgabe ansehbar ist und die Atmosphäre des Streifens erhält. Zudem sind löblicherweise zur italienischen Originalfassung auch deutsche Untertitel mit an Bord. Damit kann sich nun auch der an die deutsche Sprache gebundene Zuschauer von den Qualitäten des Films überzeugen lassen. Von der wunderbar durch Inszenierung, Lichtsetzung und Musik erzeugten gotischen Atmosphäre, dem herrlich altmodischen, jedoch für aufmerksame Zuschauer aufgrund vieler kleiner inhaltlicher Details und visueller Kniffe (der leicht baumelnde Sandsack als hervorragendes Beispiel) niemals langweiligen Erzähltempos, der wirkungsvollen, zwischen Horror, Giallo und Mystery angesiedelten Geschichte und dem gelungenen Ende… Wenn der Restaurator Stefano in einer ländlichen Kleinstadt über der Arbeit an einem Fresko dem Geheimnis des Schöpfers, dem Maler der Agonien, nach und nach auf die Schliche kommt, wird es dem Grusel-Aficionado wohlig-warm ums Herz. Die DVD erschien im Media Book und bietet deutschen und italienischen Ton, zusätzlich einen Audiokommentar von Marcus Stiglegger und Kai Naumann. Dieser bietet hilfreiche Hintergrundinformationen zum filmhistorischen Umfeld. Das Haus der lachenden Fenster ist sehr zu empfehlen.
Nicht minder interessant und gelungen, wenn auch in Deutschland durch eine Videoveröffentlichung weitaus bekannter, ist Avatis Zeder, der, ebenfalls vor kurzem von CMV veröffentlicht, sich als ideales Zusatzprogramm zu den lachenden Fenstern anbietet. Auch hier überzeugt die Story und bietet eine überaus gelungene Mischung aus Horror, Giallo und Mystery. In dieser kommt ein junger Buchautor durch Zufall auf das Geheimnis so genannter „K-Zonen“, in denen unter bestimmten Parametern Tote wieder zum Leben erwachen können – und auf deren Entdecker Paolo Zeder. Hat man an den lachenden Fenstern Gefallen gefunden, wird dies höchstwahrscheinlich auch auf diesen Film zutreffen, denn in seiner Herangehensweise tritt der Film in die gleichen Fußstapfen. Sicherlich weniger mit gotischen Elementen verschnörkelt, ist jedoch die ruhige, behutsam aufgebaute Erzählung, die dramaturgisch geschickt Stück für Stück das Geheimnis entschlüsselt, eine weitere gelungene Reise in das Reich des gepflegten Gruselns. Zeder bietet die deutsche, englische und italienische Sprachfassung; die Bild- und Tonqualität ist ansprechend. Als Bonus finden sich neben einem Audiokommentar von Christian Kessler auch Hintergrundinformationen zu den Drehorten. So werden die Drehorte von damals und deren Zustand heutzutage verglichen.
In edler Veröffentlichung neu vorgelegt wurden jüngst Der Gehetzte der Sierra Madre und Von Angesicht zu Angesicht, entstanden 1966 und 1967 unter der Regie von Sergio Sollima, zwei der wichtigsten und besten Werke der Gattung „Italowestern“ überhaupt. Ihre Bedeutung steht bis heute jedoch in seltsamem Kontrast zu ihrem Bekanntheitsgrad. Während die berühmten Filme, etwa Sergio Leones oder Sergio Corbuccis, seit Jahrzehnten als Meilensteine des Genres geschätzt und gewürdigt werden, können Sollimas Meisterwerke nach wie vor als gesuchte Geheimtipps gelten. Zunächst in klassischer Dreier-Box – der dritte Film der Trilogie ist Lauf um dein Leben von 1968 – bei Koch Media erschienen, erlebten Der Gehetzte der Sierra Madre und Lauf um dein Leben später Neuauflagen als Einzel-DVDs. Manko bei erstgenanntem Film blieb, dass man den seinerzeit für den deutschen Kinoeinsatz stark gekürzten Film nur mit angelegter Kino-Synchronisation und Untertitelung der damals fehlenden Szenen sehen konnte, was anhand derer schieren Anzahl und des permanenten Wechsels den Genuss etwas schmälerte. Die neue Edition von Explosive Media behebt das Problem, indem sie den Klassiker zusätzlich mit der jüngeren, in den 1990er-Jahren fürs Fernsehen erstellten, integralen Synchronisation präsentiert. Eine der je zwei Hauptrollen in allen drei Filmen spielt der von Sollima für den Genrefilm entdeckte kubanische Schauspieler Tomás Milián, der international zum Publikumsliebling wurde. In Der Gehetzte der Sierra Madre agiert er neben Lee van Cleef, der Jonathan Corbett spielt; einen Kopfgeldjäger, der als texanischer Kandidat für den Senat aufgestellt und von einem Großrancher, der ein gewaltiges Eisenbahngeschäft plant, für eine Menschenjagd eingespannt wird. Der mexikanische Tagelöhner Cuchillo (= Das Messer), mit dem Milián zu einer Lebensrolle fand, soll ein kleines Mädchen vergewaltigt und ermordet haben. Corbett folgt dem Flüchtigen in die Sierra, ahnt aber bald, dass er für ein Komplott missbraucht wird… In Von Angesicht zu Angesicht ist Milián der amtsmüde Banditenboss Beauregard Bennet, der an einen unerwarteten Weggefährten gerät. Der lungenkranke Bostoner Professor Brett Fletcher, gespielt von Gian Maria Volonté, scheint zunächst eine humanistische Vision in den Wilden Westen zu bringen, wird dann aber von der ihn umgebenden Gewalt derart fasziniert, dass er sich zum brutalsten Halunken des Territoriums wandelt.
Sergio Sollima gefällt sich bis heute in der Rolle des Genre-Revolutionärs, der etwa erstmals einen mexikanischen Underdog zum Helden gemacht und eine Figur wie den Killer von Schulenburg in Der Gehetzte der Sierra Madre erfunden hat, einen österreichischen Offizier komplett mit Cape und Monokel, der sich im fernen Westen als exotisches Schmuckstück ausmacht, aber ein gefährlicher Gegner für Lee van Cleefs stoischen Protagonisten ist (bezeichnend, dass die Figur aus der alten deutschen Fassung so vollständig entfernt wurde wie sonst nur die Nazis aus alten Anti-Nazi-Filmen). Tatsächlich aber macht ihre Deutung des schmutzigen Kapitalismus als Triebfeder von Korruption und Verfall, ihre vielfältige Werktätigen-Sympathie (durch die wunderbare Darstellung Miliáns) und etwa die Frage nach der Formung eines menschlichen Charakters durch Gesellschaft oder Gene in Gestalt der Wandlung eines bourgeoisen Gutmenschen zum Mörder, während der Bandit die Waffe wegwirft, die Trilogie zum seltenen Beispiel bewusst politisch-intellektueller Thesen ebenso wie spannenden Erzählkinos. Beide Filme profitieren zudem sehr von der Musik Ennio Morricones, die sich als hervorstechende Genrearbeiten neben jenen für Sergio Leone erweisen. Das umfangreiche Bonusmaterial besteht im Kern, auf beiden Editionen, aus einer langen Dokumentation, in der ein bereits auf der Koch-Ausgabe veröffentlichtes Interview mit Sollima unter anderem um eines mit Tomás Milián erweitert wurde. Hochinteressant sind dabei nicht nur ihre unterschiedlichen historischen Erinnerungen, sondern auch Miliáns Selbstverständnis. Er wirft dem Regisseur und ebenso der damaligen italienischen Filmindustrie eben jene Herabwürdigung von Latinoamerikanern – im Umgang mit seiner Person – vor, die die Filme eigentlich anprangern. Nun, da druckt man lieber die Legende…