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Ad Astra (Max Richter / Lorne Balfe / Nils Frahm)

Regisseur James Gray liefert mit Ad Astra (2019) seinen siebten Langzeitspielfilm. Der Film setzt sich aus Elementen von Science-Fiction und philosophischem Beziehungsdrama zusammen, was an den Kinokassen kein allzu grosses Publikum fand, trotz beachtlicher Starbesetzung mit Brad Pitt, Tommy Lee Jones und Donald Sutherland. In beeindruckenden, poetischen Bildern erzählt Ad Astra die Geschichte von Raumfahrt-Ingenieur Roy McBride (Pitt). Er ist ein Einzelgänger und trägt seit 29 Jahren das Trauma mit sich, dass sein Vater zu einer Mission ins All aufbrach, von der er nie zurückkehrte. Nun will Roy sich erneut selbst auf den Weg ins All machen, um herauszufinden, warum sein Vater nie zurückgekehrte ist und ob er seine Mission letztlich erfüllen konnte. Damit startet er ein schier unmögliches Unterfangen.

Für die Filmmusik zeichnen sogleich mehrere Komponisten verantwortlich. Anfangs war nur Max Richter als Komponist angekündigt, später kam Lorne Balfe hinzu und auf dem finalen Soundtrack-Album ist dann auch noch Musik von Nils Frahm aus dem Jahr 2005 zu hören. Wieso es zu diesem Komponisten-Mix gekommen ist, kann hier nicht mit Gewissheit kommentiert werden, aber man muss wohl davon ausgehen, dass es im Laufe der (Post-) Produktion des Films Ad Astra in Bezug auf die Filmmusik zu knapper, zeitlicher Verfügbarkeit seitens Max Richter oder künstlerischen Differenzen gekommen ist. Die Musik, welche Richter für Ad Astra geschaffen und aufgenommen hat, ist auf der ersten CD dieses Albums zu finden. Diese Musik wurde gemäss Booklet im Februar und Juli 2019 aufgenommen. Im Juli 2019 sollen dann auch die Stücke von Lorne Balfe, die auf der CD 2 zu finden sind, eingespielt worden sein. Sprich, Balfe war nicht von Beginn an in die Filmmusik involviert und wohl auch nicht als zusätzlicher Komponist vorgesehen. Auf der CD 2 sind neben der Musik von Balfe auch noch das 21-minütige Stück Tuesday (voicless) von Max Richter (aus seinem Album «Three Worlds: Music from Woolf Works» aus dem Jahr 2017; aufgenommen im Oktober 2016) und die bereits erwähnte Komposition von Nils Frahm zu finden. Hieraus ergibt sich ein 2-CD-Set mit einer Spielzeit von 127 Minuten, womit die CD länger ausgefallen ist als der Film selbst. Stilistisch passen die Beiträge der drei Komponisten nicht schlecht zusammen, aber um sich das ganze Album anzuhören, braucht es schon viel Ausdauer beziehungsweise man kommt nicht umhin, gedanklich abzuschweifen. Dies muss jedoch nicht zwingend negative Kritik sein, denn die teils hypnotische Wirkung der Musik, der stets auch ausserirdische, fremde Züge anhaften, passt sehr gut mit den Weltraumbildern zusammen. In den heimischen vier Wänden kann einem diese Musik, wenn man sich ihr mit der richtigen Erwartungshaltung annimmt, entspannen. Denn auch wenn auf dem Album teils harsche, kaum geniessbare Stücke mit drauf sind (bspw. Encounter oder Forced Entry), so weisen viele Kompositionen von Richter auch eine schöne, ruhig fliessende Harmonie und emotionale Strahlkraft aus, die einem berührt. Als Hintergrundmusik für das Jogging-Training im Freien ist Ad Astra indes weniger geeignet.

Wer mit dem Musikschaffen von Max Richter – für Film wie auch für andere Formate – vertraut ist und an diesem Gefallen findet, dem dürfte auch seine Musik für Ad Astra Freude bereiten. Mit viel Elektronik, aber auch orchestralen Momenten und teils wortlosem Gesang schafft er Musik mit Sogwirkung – zweifellos aufwändig produziert. Im Film wird McBrides Reise von der Erde zum Planet Neptun gezeigt. Diese Reise wurde, wenn auch unbemannt, in der Realität ebenfalls angetreten – mit den Voyager 1- und Voyager 2-Flügen, die 1977 gestartet wurden und die bis heute im All unterwegs sind und Daten zurück auf die Erde senden. Zu diesen Daten zählen auch Radiationswerte von Plasmawellen. Diese Messwerte hat Max Richter in Klänge übersetzt und in seine Filmmusik eingefügt. Wenn die Figur von Brad Pitt am Saturn vorbeifliegt, hört man in der dazugehörenden Musik ein musikalisches Abbild der gemessenen Plasmawellen. Nun kann man eine solche kompositorische Idee von Max Richter als überflüssige Spielerei abtun oder als faszinierend einstufen. Seine Ad Astra-Klänge bewegen sich irgendwo zwischen Hans Zimmers äusserst populärem Soundtrack zu Insterstellar (2014) und Jóhann Jóhannssons vielbeachteter Musik für den Thriller Arrival (2016), wobei die harschen Spannungsmusikmomente wie die genannten Stücke Encounter und Forced Entry eher in die Arrival-Richtung stossen und die poetisch-schimmernden, kühlen, ruhigen Stücke wie das schöne Eröffnungsstück To the Stars in Interstellar-Klanggefilde reichen. Als Fan der Interstellar-Musik – wohl eine der besten Arbeiten Zimmers – sprechen mich denn auch die ruhigeren, harmonischen Stücke auf dem Ad Astra-Album deutlich mehr an als die kühle, treibende Spannungsmusik. Zu ersterer kehre ich denn auch gerne mit einer entsprechenden Auswahl aus dem Album-Programm zurück.

Die Musik auf der zweiten CD hätte man sich, meiner Meinung nach, schenken können. Die zusätzliche Filmmusik von Lorne Balfe ist im Film zweckmässig aber auf dem Album wirkt sie gegenüber Richters Schaffen blass. Die Stücke Tuesday (voiceless) und Says scheinen im Film zwar Verwendung zu finden, aber da sie im Kontext anderer Projekte entstanden sind, hätte man sie hier weglassen können – zumal mit Originalmusik für Ad Astra ja bereits viel Musik geboten wird. Sprich, das 2-CD-Set für Ad Astra krankt zu einem substanziellen Teil auch an der Überlänge. Ich für meinen Teil programmiere mir die Stücke To The Stars, I Put All That Away, Journey Sequence, The Wanderer, Erbarme Dich (auf klassischer Musik von Bach basierend, aber durch Richter stark verfremdet), Event Horizon und You Have to Let Me Go, woraus sich für mich eine Suite mit den poetischen, mystischen, klangschönen Seiten des Ad Astra-Soundtracks ergibt.

★★★
Basil Böhni 

USA / China 2019 / Musik-VÖ [CD]: 22.11.2019
Deutsche Grammophon
127:03 Min / 29 Tracks
Kinostart (D): 19.09.2019