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WandaVision (Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez / Christophe Beck)

Als erste offizielle Marvel-Serie des MCU (Marvel Cinematic Universe) ist WandaVision so verwirrend wie einzigartig. Sie erzählt die Geschichte der Superhelden Wanda Maximoff und Vision, welche sich nach den Ereignissen von Avengers: Endgameals frischgebackenes Ehepaar unerkannt in einem Vorort niederlassen und ein normales Leben führen wollen. Doch da gibt es ein Problem: Vision ist eigentlich tot.

Die Serie beginnt als 50er Jahre Sitcom in schwarz-weiss und endet mit einem knallbunten Superhelden-Finale. Was dazwischen passiert, soll hier nicht verraten werden. Nur so viel: Es werden mehrere Sitcom-Epochen gezeigt, welche auch die entsprechend musikalische Untermalung erhalten.
Um die klangliche Vielfalt der einzelnen Epochen sowie der Superhelden-Welt kümmern sich Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez bei den Titelsongs der Episoden und Christophe Beck bei der Musik. Jenes Trio also, das bereits für die beiden Frozen-Filme Oscar-prämierte Musik geschrieben hat. Dabei treffen Songs und Musik perfekt den musikalischen Stil der jeweiligen Sitcom Epoche. Ich werde beim Schauen und Hören schon fast etwas nostalgisch.

Die Songs sind ein wichtiger Bestandteil nicht nur der Episoden, sondern auch der Handlung. Das erfahrene und mehrfach prämierte Komponisten-Ehepaar Kristen Anderson-Lopez and Robert Lopez setzt dabei auf ein 4-Ton Motiv, welches jeder Song in irgendeiner Form enthält. Manchmal offensichtlich, manchmal versteckt. Damit weben sie einen roten Faden in die komplett unterschiedlichen Song-Stile, welche von Bossa Nova bis zu Punk-Rock reichen, und halten auch gleich die Story zusammen. Wo ich Songs sonst eher links liegen lasse, machen sie hier absolut Sinn und auch Spaß. Sie sind so unterhaltend und clever wie vielfältig und ich ertappe mich stetig dabei, dass ich einen davon vor mich her summe. Viel besser kann man es eigentlich gar nicht machen.

Für die Musik findet Christophe Beck die perfekte Balance zwischen Comedy, Mystery, Drama, Fantasy und Superhelden-Musik. Allein das ist eine Auszeichnung wert. Für die Sitcom-Musik passt er nicht nur den Stil, sondern auch die Größe und Besetzung des Ensembles gekonnt der richtigen Epoche an. Die Stilrichtungen reichen dabei von Latin über Motown- und Disco-Sound bis zur Popmusik der 80er und 90er. Eine musikalische Vielfalt bei deren Umsetzung er hörbar Spaß hatte. Das macht auch mir als Hörer sehr viel Vergnügen.

In seiner Musik übernimmt er auch immer wieder die Titelsongs oder das 4-Ton Motiv, um das Gesamtkonzept zu wahren. Sehr cool.

Ab Episode 4 wird die Musik immer ernster, bis die Songs in den letzten zwei Episoden schließlich komplett verschwinden und die “klassische” Filmmusik überwiegt. Beck gibt in seiner Musik der wichtigsten Figur, Wanda, ein eigenes, mysteriöses Thema, welches auch oft für die Darstellung der Hexerei benutzt wird. Dieses kommt vor allem im Abspann zur Geltung, wird aber auch in den Episoden gekonnt in vielen Formen eingesetzt und trifft bei mir definitiv einen Nerv.

Für die Beziehung zwischen Wanda und Vision hat Beck außerdem ein sehr schönes und ruhiges Liebesthema geschrieben, das einen wunderbaren Gegenpol zur Sitcom- und Spannungs- bzw. Actionmusik bildet. Dazu gibt es weitere Themen und Motive z.B. für die Organisation S.W.O.R.D. sowie ein immer wiederkehrendes und verunsicherndes elektronisches Flattern, das ein rätselhaftes Phänomen und dessen Lösung symbolisiert. Beck brennt ein regelrechtes Feuerwerk an Diversität ab und macht einen tollen Job, daraus eine homogene Masse zu bilden.

Aufgrund der vielen unterschiedlichen Musikrichtungen ist die Musik sehr vielfältig und trotz ihrer auf 9 Alben verteilten, knapp 3-stündigen Laufzeit erstaunlich kurzweilig. Im letzten Drittel, wenn die Sitcom-Musik und die Songs aussetzen, scheint der Unterhaltungswert im ersten Moment etwas zu sinken. Tatsächlich bleibt die Qualität aber hoch und wechselt lediglich die Stilrichtung. Hat man sich an die Absenz der Comedy-Elemente erstmal gewöhnt, macht auch dieser Teil große Freude. Dem einen oder anderen mag die Musik dann etwas zu «modern» sein, aber mir gefällts. Im Großen und Ganzen ist WandaVision ein solides und tolles Werk, das auch dank den Songs einige Höhepunkte enthält und welches ich mir gerne weiterhin anhören werde.

★★★★
Stefan Minder

USA 2021 | Musik-VÖ: 22.01.2021 – 12.03.2021 (9 Alben)
Hollywood Records
[170:22 Min. / 93 Tracks]
TV- / Streaming-Start (D): 15.01.2021
Digital