
Musik: Bronislaw Kaper
Warner Home Video
Bewertung: ★★★★
Als MGM 1962 das aufwändige Remake von Mutiny on the Bounty in Angriff nahm, stand die Produktion von Beginn weg unter einem unglückseligen Stern. Die 1935er-Version mit Clark Gable und Charles Laughton war ein erklärter Liebling der Kritiker, und die witterten denn auch sogleich ein Sakrileg. Neben dem Vorwurf geschichtlicher Verfälschungen diente vor allem Marlon Brando mit seiner dandyhaften Darstellung des Fletcher Christian, den er darüber hinaus mit einem schrecklichen englischen Dialekt spielte, als Zielscheibe heftiger Vorwürfe. Dass er ausserdem seine Macht ausnützte und selbstherrlich dauernd Veränderungen am Drehbuch vornahm, was unerwünschte Komplikationen nach sich zog, gereichte ihm auch nicht zum Vorteil. Letztendlich kam, was kommen musste, der Film wurde zum finanziellen Flop.
Mutiny on the Bounty hat offenkundig seine Unzulänglichkeiten, ist aber – das sollte dank der hervorragenden Präsentation auf dieser Doppel-DVD auch die letzten Zweifler überzeugen – weitaus besser als sein Ruf. Der liebevoll restaurierte und im korrekten Seitenformat von 1:2,75 wiedergegebene Film wirkt so frisch wie am Tag seiner Premiere. Robert Surtees' üppiges Farbenspiel ist eine Augenweide ebenso wie die akkurat nachgebaute Bounty, die von der Kamera immer wieder ins beste Licht gerückt wird. Die Bilder auf hoher See, vor allem die Sturmszenen am Kap Hoorn, sind atemberaubend. Trevor Howard gibt einen sehr überzeugenden Captain Bligh, an Brandos zu Beginn eigenwillig wirkende Christian-Darstellung gewöhnt man sich relativ schnell, und die permanente Spannung zwischen den beiden kommt überzeugend rüber. Auch die Nebendarsteller, angeführt von Richard Harris und Hugh Griffith, machen einen guten Job. Für uns Filmmusikliebhaber ist erfreulich, dass der Film in der sogenannten «Roadshow-Präsentation» vorliegt, welche Overtüre, Pausenmusik und Entr'acte mit einschliesst; dadurch kommen wir in den Genuss von ein paar störungsfreien Minuten aus Bronislau Kapers umwerfendem Score.

Man mag sich vielleicht fragen, ob es unbedingt nötig war, die Tahiti-Sequenzen (mit einer klischeehaften Darstellung der Polynesier, die heutzutage nicht mehr denkbar wäre) so ausführlich abzuhandeln, während die Meuterei relativ kurz und schmerzlos über die Bühne geht, aber man sollte den dreistündigen Film als das ansehen, was er ist: einer der letzten verzweifelten Versuche Hollywoods, das Publikum mit exotischen, sinnbetörenden Schauwerten vom heimischen Bildschirm wegzulocken. Die Wirkung auf der grossen Kinoleinwand muss überwältigend gewesen sein.
Ein wenig unbefriedigend ist das Zusatzmaterial. Toll ist, dass die seit vierzig Jahren nicht mehr gezeigten Prolog und Epilog (aus Sicht des auch während des Films als Erzähler fungierenden königlichen Gärtners William Brown) separat beigefügt wurden, aber die restlichen Features befassen sich praktisch ausschliesslich mit dem Bau der Bounty-Replika sowie deren Schicksal nach Ende der Dreharbeiten. Für den Filmfreund wären jedoch ein paar Hintergrundinformationen über die berüchtigten Dreharbeiten weitaus interessanter gewesen. Trotzdem ist die Anschaffung dieser Special Edition für alle, die grosses klassisches Hollywood-Kino mögen, sehr zu empfehlen.
Andreas Süess