
Sony BMG (18 Tracks; 46:36 Min.)
In dem Film des Berliner Regisseurs Chris Kraus geht es um die Lehrer/Schüler-Beziehung einer älteren, verbitterten Klavierlehrerin (Monica Bleibtreu) und ihrer jungen, sehr talentierten , aber selbstzerstörerischen Schülerin (Hannah Herzsprung). Der Film hat einen über sechs Jahre währenden Produktionsprozess hinter sich und sollte sogar ursprünglich als europäische Großproduktion mit Jeanne Moreau in der Hauptrolle gedreht werden. Dann sprang urplötzlich ein großer Produzent ab. Alles wurde anders, schmaler, kleiner und schwieriger – und herausgekommen ist einer der schönsten „Musikfilme“ der letzten Jahre.
Die Komponistin Annette Focks und Regisseur Chris Kraus nähern sich ihren beiden Hauptdarstellerinnen mit einer auf die jeweilige Person ausgerichteten Tonsprache.
Sind die Gefühle der Lehrerin scheinbar gänzlich von ihrer innigen Liebe zur klassischen Musik und ihrer Interpretation vereinnahmt, befreit sich die Schülerin mit einer ihr völlig eigenen improvisierten rhythmisch-perkussiven Klangsprache von ihrem emotionalen Druck.
Immer wieder ist es Schuberts wunderbares Impromptu Nr. 2 As-Dur, D 935 das mit den Erinnerungen der Lehrerin, deren Charakter sich völlig in der Vergangenheit verliert, manchmal geradezu über dem Film zu schweben scheint – im völligen Gegensatz zu den expressiven körperenergetischen Ausbrüchen der Schülerin am Klavier, die sich erst zu den von Annette Focks komponierten aufreibenden hämmernden Rhythmen richtig abreagieren kann. Zwischen diesen beiden Extremen steht Mozart, der im Film als Fingerübung und Lehrstück herhalten darf, ein völlig belangloser und fader Song namens Right Into My World und ein atmosphärischer, sehr dem Film verhafteter Score. Der Komponist Jan Tilman Schade lieferte noch zwei der für die Hauptprotagonistin so wichtigen Improvisationsstücke.
Ihren Frieden findet die Schülerin in dem von Annette Focks komponierten Stück Jennys Abschlusskonzert, einem Mix aus Klassik und Moderne, der der gefundenen Balance im Leben der jungen Frau vollkommen entspricht.
Erst durch die Musik werden Bilder und Charaktere wirklich zu einem Ganzen, und genau das ist es, was Vier Minuten zu einem richtig guten Film macht. Und die CD ist ein perfektes Erinnerungsstück für jeden, der sich ein wenig von Schubert und Focks in diesem Film hat gefangen nehmen lassen.
Bewertung: ★★★★
Mike Beilfuß