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Kino! Kino! Kino!

Wenn die meisten Zuschauer deutlich kleiner sind als man selbst, der Lärmpegel über dem normalen Schnitt liegt und das Publikum leichter euphorisierbar ist, spätestens dann sollte man wissen, dass man in einer Veranstaltung der Kinderfilmsektion – Generation Kplus – gelandet ist.
Eine wichtige Einrichtung der Berlinale, schließlich wird hier der cineastische Nachwuchs herangezogen. Und die Veranstalter nehmen sich diese Aufgabe sichtbar zu Herzen. Den Kindern wird für ihr Alter durchaus schwere Kost aufgetischt. Dies fängt allein damit an, dass man selbst im Kinderprogramm konsequent Originalfilme zeigt – in der Regel mit englischen Untertiteln. Zwar werden die Untertitel übersetzt vorgelesen, für die Kinder dürfte es dennoch eine neue Erfahrung im Vergleich zu ihren Sehgewohnheiten darstellen. Aber es geht noch weiter:

In dem koreanischen Film Ice Keh-Ki (Eis!) von Yeo In-gwang wird zum Beispiel die Geschichte des 10jährigen Young-Rae erzählt, der in bitterer Armut in einer Kleinstadt des Jahres 1969 lebt und versucht mit Eisverkauf, Geld zu verdienen, um seinen Vater, den er nie gesehen hat, in Seoul zu besuchen. Dabei handelt der Film von Tod, alltäglicher Gewalt, Kriminalität, Politik und über die komplizierte Beziehung von Mutter und Sohn. Was den Film zum Kinderfilm macht, ist seine sehr kindgerechte Erzählweise, die einem doch das sichere Gefühl gibt, es wird alles schon gut gehen – obwohl man auch als erfahrener Zuschauer manchmal schon schwer zweifeln muss. Die Musik von Lee Beyong-hun ist effektiv und angemessen komponiert, mal spannend, mal phantastisch und alles in allem grundweg lebensfroh. So spielt sie eine wichtige Rolle dabei, dass die tragische Seite des Filmes nicht überhand nimmt. Insgesamt ein sehr guter Film und ein gutes Beispiel für das gute Programm, das die Verantwortlichen zusammengestellt haben. Sie nehmen die Kinder als Zuschauer ernst und das ist gut. Auch wenn es für viele vielleicht der einzige koreanische Film sein wird, den sie in ihrem Leben sehen werden, brach am Ende von Ice Keh-Ki das junge Publikum in wahre Jubelstürme aus.


“Kino! Kino! Kino!” – Vorfreude auf dem rotem Teppich

Am Ende von Notes on a Scandal wäre ich gerne selbst in Jubelstürme ausgebrochen und das lag nicht nur an der hervorragenden Musik von niemand geringeren als Philipp Glass, dem Meister der Minimal Music. Notes on a Scandal erzählt die Geschichte einer jungen Lehrerin (Cate Blanchett), die einem ihrer Schüler (der 18jährige Andrew Simpson in seiner ersten großen Rolle) verfällt und dafür von einer älteren Kollegin (Judi Dench) erpresst wird, weil sie sich nach deren Liebe sehnt. Regisseur Richard Eyre hat diese hervorragend konstruierte Geschichte unheimlich dicht inszeniert. Das Cast ist bis in die kleinsten Nebenrollen (allen voran Bill Nighy als Ehemann der jungen Lehrerin) wundervoll besetzt und die beiden Hauptdarstellerinnen geben eine ihrer besten Performances ab. Völlig zu recht sind beide für den Oscar nominiert. Bei der Berlinale lief der Film allerdings außer der Konkurrenz, diesen Preis wird Notes also nicht abräumen.
Die Musik, ebenfalls völlig zu recht für den Oscar nominiert, spielt eine ebenso wichtige Rolle wie die Darsteller. Sie ist in Glass’ so unverwechselbaren minimalistisch repetitiven Stil gehalten und ist so beeindruckend, dass sie streckenweise beinahe physische Form annimmt. Wie die Tagebuch-Einträge der Figur Judi Denchs, mit denen aus dem Off die Geschichte erzählt wird, nimmt auch die Musik eine Erzähl- und Kommentarfunktion ein, nur dass Musik und Worte nicht das gleiche erzählen. Aus diesem Oxymoron von Musik und Wort entwickelt sich eine unglaubliche Energie, aus der heraus klar wird, warum die Figuren so bereit sind, sich bis an den Rand der Selbstzerstörung zu begeben. Judi Dench verglich ihre Rolle auf der Pressekonferenz mit der der Lady MacBeth, Shakespeares dämonischer Ränkeschmiedin, die ihren Mann sowohl zum König als auch zum Mörder macht. Wenn man diesen Vergleich fortsetzt, dann spielt die Musik die Rolle der drei Hexen, die mysteriös verschlüsselt, bereits verkünden, welchen tragischen Ausgang das Schicksal der Protagonisten nehmen wird.