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Widersprüche

In der Presse wurden bereits Ausschreitungen befürchtet, weswegen vor dem Filmpalast am Kurfürstendamm mehr Polizei aufgefahren war, als man es für die Deutschlandpremiere eines italienischen Films erwarten würde. Die Rede ist von La Masseria della Allodole (Das Haus der Lerchen), der den türkischen Völkermord an den Armeniern während des ersten Weltkrieges zum Thema hat. In der Türkei ist dieses dunkle Kapitel der eigenen Vergangenheit bis heute noch nicht aufgearbeitet worden. Ein sensibles Thema also, dessen sich die Gebrüder Paolo und Vittorio Taviani angenommen haben.

Die beiden über 70jährigen waren denn auch nach Berlin gekommen, um ihren Film vorzustellen. Festivaldirektor Dieter Kosslick lag es persönlich am Herzen diesen Film in Deutschland zu zeigen, weil er meinte, dass gerade mit Deutschlands eigener Völkermordvergangenheit der deutsche Blick für dieses Thema auch weltweit scharf gestellt bleiben sollte. In dem Film wird dieser Völkermord beispielhaft an einer reichen armenischen Familie dargestellt. Sie besitzt la Masseria della Allodole – die Lerchenfarm, ein Landgut und Treffpunkt der lokalen Elite, Armenier wie Türken. Als das türkische Militär beginnt, in den Armeniern die Alleinschuldigen für ihre Misserfolge an der russischen Front (das Osmanische Reich kämpfte damals an der Seite der Deutschen und der Österreicher im Ersten Weltkrieg) zu sehen, schlägt die Situation für die Familie um. Erst als die Männer erschlagen und die Frauen deportiert werden, werden sich ihre ehemaligen türkischen Freunde der Situation bewusst und starten eine verzweifelte Rettungsaktion.
Überraschend eng, ja fast streckenweise kammerspielartig gedreht, gelingt es dem Film, uns die Menschen, Türken wie Armenier nahe zu bringen. Dadurch wird keine einfache Schwarz-Weiß-Malerei betrieben, sondern ein humanistisches Bild sowohl von den Opfern, als auch von den Tätern gezeichnet. Mit internationaler Besetzung (unter anderem Paz Vega und Moritz Bleitreu) ist La Masseria della Allodole ein sehenswerter Film, der die Tradition des italienischen Kino würdig fortsetzt und den Taviani-Brüdern ist ein Spätwerk gelungen, dessen man sich ihrer erinnern wird. Die Musik stammt von Giuliano Taviani, der seinen Vater Vittorio und seinen Onkel Paolo nach Berlin begleitet hat. Auch er setzt eine Tradition fort, nämlich die der großen italienischen Filmmusik. Starke Einflüsse armenischer Volksmusik und ein teilweise sehr lyrischer Choreinsatz, der an Morricone erinnert, zeichnen seine Musik aus, die hervorragend ihren Teil dazu beiträgt, diese traurige Geschichte des armenischen Volkes zu erzählen.
Die Krawalle sind übrigens ausgeblieben. Anscheinend hat die Presse die Rolle eines Filmes auf der Berlinale überschätzt. Einen tiefen Eindruck bei den Zuschauern hat er jedenfalls hinterlassen.


Paolo und Vittorio Taviani und das Haus der Lerchen

„Serbien ist ein Trompetenland.“ Diese Aussage sei vorweg gestellt, ehe an dieser Stelle Gucha – Distant Trumpet vorgestellt werden soll. Die Aussage stammt vom Regisseur, Dusan Milic, der persönlich nach Berlin gekommen war, um seinen Film zu promoten. Nicht im engen Rahmen einer Pressekonferenz, sondern im Kinosaal direkt nach der Berlinale-Vorführung seines Filmes stellte er sich den Fragen des Publikums. Gucha ist das größte Festival für die Musik des Balkans. Jedes Jahr wird hier mit der Goldenen Trompete der beste Trompeter ausgezeichnet. In Milics Film ist Romeo, ein Roma, mit im Rennen, der die Hand seiner Juliana, einer Serbin, nur kriegt, wenn er im Kampf um eben jene Goldene Trompete, ihren Vater, der sich selbst „Satchmo“ nennt, hinter sich lassen kann. Romeo und Juliana haben trotz der Shakespeare’schen Namensgebung eine Chance, denn es handelt sich bei diesem Film um eine Komödie voller Musik und Lebensfreude. Musik, die Dejan Pejovic, der ebenfalls in Berlin war, komponiert hat. Sie ist energetisch und schnell, so wie man sich Musik vom Balkan vorstellt. Hauptsächlich sind es die beiden konkurrienden Bands, die die Musik im Film spielen, teilweise ist es aber auch echte Filmmusik, die im Hintergrund ihre Arbeit leistet. Eine schöne Arbeit für einen schönen Film, der allen gefallen dürfte, die auch die Arbeit Emir Kusturicas zu schätzen wissen. Kusturica war es übrigens auch, der Dejan Pejovic für die Filmmusik empfohlen hat, denn er hatte zuvor noch nie Musik für einen ganzen Film komponiert. In seinem Land ist er aber kein Unbekannter, denn dort gilt er als der beste Arrangeur für Trompetenmusik – was ihn so etwas wie einen Star mache, wie er mir nach der Vorführung mit einem Augenzwinkern sagte. Auf jeden Fall hat es ihn zur natürlichen Wahl für diesen Film gemacht. Schließlich ist er jemand, der den feinen Unterschied zwischen der Art und Weise, wie die Roma ihre Trompete spielen, und der, wie es die Serben tun, kennt.