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Eine andere Welt

Die Berlinale hat viele Gesichter, die meisten haben etwas mit Filmen zu tun: Da gibt es den Wettbewerb, die Sektionen Panorama (mit Publikumspreis) und Forum, Retrospektiven (einmal über den Lebenswerkpreisträger Arthur Penn, einmal über das Frauenbild im Stummfilm), den Kinder- und Jugendfilmwettbewerb Generation (Kplus und 14plus), einen Kurzfilmwettbewerb, die Abteilung Perspektive Deutsches Kino, den Bereich Berlinale Special.
Aber seit fünf Jahren hat die Berlinale noch einen ganz anderen Schwerpunkt: den Talent Campus. Dieser Bereich versteht sich als Arbeitscampus, bei dem nur ein Teil in Form von öffentlichen Veranstaltungen stattfindet. Es geschieht viel durch Interaktion der Teilnehmer. Der Nachwuchs aus allen Feldern der Filmproduktion kann sich hier mit anderen Teilnehmern vernetzen können und auch das Gespräch mit gestandenen Figuren der Filmwelt suchen und finden.
Gast auf dem Talent Campus waren unter anderem Walter Salles (Motorcycle Diaries) und Jan A.P. Kaczmarek, der den jungen Komponisten mit Rat und Tat zur Seite stehen konnte. Für diese Komponisten gab es auch einen Wettbewerb, die Volkwagen Score Competition. Drei ausgewählte Teilnehmer konnten während des Talent Campus drei Scores zu Ausschnitten aus drei Filmen – ein Werbefilm One Day in Wolfsburg von Julian Benedict, ein Animationsfilm Our Man in Nirvana von Jan Koester von der HFF Potsdam und Finding Neverland von Marc Forster – komponieren und zusammen mit dem Filmorchester Babelsberg aufnehmen. Die Ergebnisse wurden im Rahmen eines öffentlichen Gespräches mit Jan A.P. Kaczmarek und dem Experimentalfilmer Guy Maddin präsentiert. Und zu sehen und vor allem zu hören waren drei Komponisten, die drei doch sehr unterschiedliche Musiken komponiert haben: Costas Fotopoulos, Titas Petrikis und Ilja Coric ist es gelungen, in der kurzen Zeit Arbeiten abzuliefern, die einen guten Eindruck ihrer musikalischen Qualitäten bot. Sieger waren sie alle drei, denn schließlich ist die Chance, seine Musik mit einem professionellen Orchester aufzunehmen, schon etwas Besonderes. Dennoch musste die Jury einen Sieger bestimmen, und der hieß Ilja Coric. Für die Jury, der auch Kaczmarek angehörte, war letztendlich ausschlaggebend, dass Coric das beste Filmverständnis gezeigt und am einfallsreichsten komponiert hatte. Alle drei Jungkomponisten sind sehr ambitioniert, wer weiß, vielleicht hören wir schon bald etwas von ihnen.
Von einigen der Teilnehmer des Talent Campus’ wird man mit Sicherheit hören, denn keine 10 Minuten Fußweg vom Potsdamer Platz entfernt, wird daran gearbeitet, nicht nur die eigene Kreativität voranzubringen, sondern auch daran, dass man sich schon früh vernetzt, schließlich ist Filmeschaffen ein Gemeinschaftsprojekt. Irgendwie ist der Talent Campus ein eigenständiges Festival, das nur zufällig zeitgleich zur Berlinale stattfindet. Eine eigene kleine Welt, was sich schon darin äußert, dass Talent Campus Teilnehmer eine andere Festivaltasche haben, als alle anderen.


Ein Alptraum aus Beton: die moderne Festung Beaufort

Eine andere Welt ist für die meisten auch der Nahe Osten. Zwar hört man fast täglich etwas in den Nachrichten von der vielleicht gefährlichsten Krisenregion der Welt, die Zusammenhänge, die dahinter stecken, bleiben aber schwer verständlich. Dass aber der Einblick in Zusammenhänge und das Verständnis von politischen Entscheidungen auch in der Region schwer fällt, zeigt der israelische Wettbewerbsbeitrag Beaufort von Joseph Cedar. In der Kreuzfahrerfestung Beaufort im Libanon hatte sich die israelische Armee seit der Eroberung 1982 verschanzt, bis im Jahre 2000 der Befehl erging, den Südlibanon und damit die Festung zu räumen. Beaufort erzählt die Geschichte der letzten Besatzung der israelischen Festung in den Tagen vor Räumung und Zerstörung der Bunkeranlagen unter dem Berg. In der klaustrophobischen Enge der Tunnelanlagen zeigt der Film die ständige Angst vor einem nicht greifbaren Feind, der sich lediglich in Raketenangriffen äußert, die längst zur Routine geworden sind. Die jungen Soldaten zählen die Tage bis zum Ende, auch sie wissen nicht, warum sie auf dieser Festung stationiert sind, die doch scheinbar im Nirgendwo steht. Die Musik von Ishai Adar ist effektiv und eindringlich, auch wenn es fast keine Musik ist, meistens sind es nur einfache einzelne Akkorde, die aber, an der richtigen Stelle eingesetzt, große Wirkung erzielen. Nur einmal kommt es zu wirklich komponierter Musik, in dem Moment, in dem die Soldaten den Abmarschbefehl erhalten, kommt plötzlich in der Musik ein Klezmermotiv auf, plötzlich scheint sich die Spannung zu lösen, die den Film sonst prägte. Ein spannender Film über das Traumatische des Krieges und ein Film, dessen Botschaft der Wunsch nach Frieden ist. Ein Geheimtipp für den Bären?