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Marcel Barsotti kommentiert die Filmmusiknominierungen zum Deutschen Filmpreis 2007

Mehr oder weniger als „Vier Minuten“!?

Ein Kommentar von Marcel Barsotti (Deutschland. Ein Sommermärchen, Wo ist Fred, Rennschwein Rudi Rüssel 2 – Rudi rennt wieder)

Jedes Jahr stellt sich immer wieder die gleiche Frage: wer wird in der Kategorie “Beste Filmmusik” nominiert für den deutschen Filmpreis, den „deutschen Oscar“? Und natürlich gab es auch dieses Jahr im Vorfeld wieder heftige Debatten zwischen den Wahlberechtigten, wer der 11 Kandidatinnen und Kandidaten in der Vorauswahl einer Nominierung würdig ist. Die Meinungen gingen auch diesmal wieder weit auseinander. Wichtig ist natürlich, dass jeder der Wahlberechtigten jeden einzelnen Film gesehen haben muss, um überhaupt ein Urteil darüber abgeben zu können, wer zum dazugehörigen Film die beste dramaturgische und inhaltlich richtige Lösung gefunden hat. Natürlich trägt der eigene Geschmack auch noch ein wenig zur Entscheidung bei.

Bei einer der drei Nominierungen stimmte ich mit dem Urteil der anderen Wahlberechtigten überein: bei der Nominierung von Gerd Baumann zu Wer früher stirbt ist länger tot. Ich halte diese Filmmusik für eine ganz ausgezeichnete Arbeit, denn sie spiegelt vor allem den Gegensatz zu den Orchester-Nominierungen: eine eher kleine, doch sehr markante und individuelle Filmmusik, die von diversen gitarrenähnlichen Saiteninstrumenten gekonnt interpretiert und arrangiert wurde, ohne dass die Filmmusik je aufdringlich wirkte.

Im Gegensatz zur Filmmusik zu Das Parfüm von Tom Tykwer, Reinhold Heil und Johnny Klimek, die ich unabhängig vom Film ganz wunderbar finde, die dem Film jedoch durch ständige Präsenz, zu häufiges Fortissimo und sehr laut gemischter Musik die Nähe zu den sensiblen und wunderschönen Bildern genommen hat. Hier empfand ich den Score als “overscored”. Auf dem Soundtrack wiederum fand ich ihn wunderbar. Die Musik von Christian Heyne zu Ich bin die Andere gefällt mir ebenfalls sehr gut: Ein schleichendes und wirkungsvoll arrangiertes Thema. Ähnlich wie bei Basic Instinct zieht sich das Thema in seinen Variationen durch den Film. Allerdings finde ich den Film selbst relativ schwach und dramaturgisch schlecht aufgelöst, hier hätte ich bereits beim Lesen des Drehbuchs meine Probleme gehabt. In einem solchen Fall hat es die Musik meist ganz schwer, gewürdigt zu werden, dennoch oder gerade deshalb würde ich hier eine Nominierung begrüßen.

In diesem Jahr wurde eine neue Regelung bei der Vorauswahl heftig und kontrovers diskutiert: eine Filmmusik muss jetzt mindestens 60% der für den jeweiligen Film komponierten Musik umfassen, um für eine Nominierung zugelassen zu werden. Mittlerweile werden ja oft auch viele Songs und Musiken diverser anderer Interpreten/Komponisten in einem Film platziert. Übrigens eine Regelung, die wir mit der amerikanischen Academy teilen und die im Grunde ja auch sinnvoll ist.

Bei der diesjährigen Auswahl der Nominierung für beste Filmmusik war mein persönlicher Favorit die Musik zu Vier Minuten von Annette Focks, die auf Grund des neuen Gesetzes jedoch nicht in das Auswahlverfahren gekommen ist, was ich sehr bedauerlich finde. Denn die Musik zum Abschlusskonzert am Ende des Films und zu vielen anderen Szenen finde ich kongenial gelöst, individuell, emotional und ausdrucksstark, wie auch der Film selbst. So hatte diese Musik weder beim bayerischen Filmpreis noch beim deutschen Filmpreis die Chance, nominiert zu werden, obwohl sie gerade in Vier Minuten eine ganz entscheidende Rolle spielt. Auch die Presse hat dies bereits des Öfteren hervorgehoben.

Da stellt sich nun erneut die Frage: Erhält durch diese Neuregelung nicht eine Musik, die möglicherweise zu laut, zu lang und gar nicht wirklich gut ist eine größere Chance auf eine Nominierung oder sollte nicht doch die Qualität und Ausdrucksstärke einer Filmmusik einen höheren Stellenwert haben als ihr Umfang? Ganz gleich, ob mehr oder weniger als vier Minuten?

Marcel Barsotti
(Neuried, 16. März 2007)