Werbung

powerflute.ch - Sandro Friedrich Studiomusiker für ethnische Blasinstrumente

Interview mit Dieter Schleip über seine Filmmusik zu „Ohne einander (ZDF, 19. März 2007 um 20.15 Uhr)

Mike Beilfuß: Ohne einander erzählt die Geschichte einer gutbürgerlichen Familie mit all ihren Problemen innerhalb eines Tages und beruht auf dem gleichnamigen Roman von Martin Walser. Hat Dich der konzentriert problembeladene Stoff filmmusikalisch stark herausgefordert?

Dieter Schleip: Ich wollte mich in das Innerste der Personen vorarbeiten, mich in die Seele wühlen, ohne zu illustrieren was der Zuschauer im Bild sowieso schon erzählt bekommt. Platz lassen für die Gedanken des Zuschauers und ihm keine Gefühle vorschreiben. Der musikalische rote Faden ist am ehesten zu beschreiben als eine stille Sehnsucht aller Protagonisten nach LIEBE.

Eine der schönsten musikalischen Momente ist für mich Deine Komposition für Klavier und Cello. Auch die einsame über dem Klavier liegende Trompete ist sehr gelungen.
Was wolltest Du mit diesem sehr solistischen Einsatz der Instrumente unterstreichen?

Man sollte wissen, daß die Besetzung sozusagen vorgegeben war. Die Tochter spielt Klavier, der Bruder Cello und der Nachbarsjunge spielt Trompete.
Das sollte auch unsere Besetzung sein. Es schien mir wieder eine Herausforderung zu sein den Film mit kleiner Besetzung zu lösen. Zum Schluß kam dann noch auf Wunsch des ZDF mein Glassound dazu, den ich fast in jedem Film benutze. Glas ist so schön wertfrei und läßt dem Zuschauer Platz für die eigenen Gefühle.

Es ist Deine zweite Zusammenarbeit mit Regisseur Diethard Klante. Was macht die Arbeit mit diesem Regisseur so besonders?

Ich habe absolute künstlerische Freiheit und er hat zu mir sehr großes Vertrauen. Er hat außerdem ein sehr gutes Gefühl für Musikeinsätze, die, wie man weiß, mindestens so wichtig sind wie die Musik selbst. Die Arbeit ist immer anstrengend und ich muss bereit sein alles zu verwerfen, aber es geht letztlich immer um den Film – weil man weiss wie der andere tickt und wir uns gegenseitig respektieren. Das erklärt die entspannte Arbeitssituation zwischen uns. Wenige Regisseure kommen so oft im Produktionsprozess zu mir nach Hause.

Deine Musik zu Ohne einander ist sehr unaufdringlich. Überhaupt sind viele Deiner Film-Kompositionen in letzter Zeit sehr klein gehalten und eher zurückhaltend. Ist das eine bewusste neue Entwicklung?

Das ist natürlich eine gewollte Entwicklung. Ich möchte mich selbst herausfordern. Wenn der Film es zulässt, suche ich immer nach neuen Wegen und experementiere gerne. Ich finde es heute spannender einen Score mit einem einzelnen Flügel zu bestreiten, als z.B. mit einem Orchesterscore.Da muß man wirklich wissen was man tut, und kann sich nicht hinter einem großen Sound verstecken. Diese großen, meistens ja falschen Gefühle nerven mich z.Zt. unglaublich. Nur weil die Musik von einem Orchester eingespielt wurde, ist das ja für sich genommen noch kein Qualitätsmerkmal. Sie kann dann,ungeachtet des hochprofessionellen Rahmens, trotzdem völlig uninspiriert sein. Von Midi-Orchestern will ich hier gar nicht mal sprechen.

Der Trend geht ja sonst insgesamt auch in Deutschland eher zu großem Orchester. Gefällt Dir dieser Trend?

Den Trend fand ich vor 15 Jahren richtig gut, und ich war Anfang der 90er wohl auch nicht ganz unbeteiligt an dieser Entwicklung. Mit meinem Dirigenten und Orchestrator Enrique Ugarte, haben wir gemeinsam Anfang der 90er die ersten Scores in Tschechien sogar für Hochschulprojekte eingespielt.
Durch die neuen technischen Entwicklungen im Bereich der Orchestersounds, hat sich bei mir besonders in den letzten 2-3 Jahren eine extreme Abneigung gegen „nachgemachte“ Orchester entwickelt. Egal welchen Kanal man einschaltet, man wird überall mit denselben Sounds bombardiert. Doku, Fiktion, Daily – alles klingt gleich. Alles wird zugemüllt mit noch mehr Hörnen und noch mehr Streichern.

Wenn ich selbst bei einer Reisedoku über die Rocky Mountains den Kommentar nicht mehr verstehe, weil jede Sekunde zu-
gedröhnt ist und die Macher anscheinend ihrem eigenen Film nichts zutrauen, schalte ich jedenfalls ab. Man sollte überhaupt mal einen musikfreien Tag im Monat, oder besser in der Woche, einführen. Musik kann ja wirklich schön sein, aber immer und überall, zu jeder Zeit, ist doch die Hölle. Selbst bei uns in der U-Bahnstation läuft jedes mal Vivaldis “Vier Jahreszeiten”. Irgeneine Studie hat sicher mal festgestellt, daß Kühe mehr Milch geben wenn sie klassische Musik hören und dann denkt der MVV was für Kühe gut ist, hilft uns auch die Menschen in der U-Bahn fernzusteuern. Wenn also mal in der Zeitung steht,
Komponist erwürgt Oma in U-Bahnstation, dann war ich das.
Und das alles zusammen genommen bewirkt meine Abkehr vom Großen zum Kleinen. Keine Musik ist auch Musik! Wenn Musik keine Pause mehr macht , ist die Musik einfach nichts mehr Wert und verliert völlig ihre Bedeutung. Vergessen darf man allerdings nicht, daß der Komponist mehr Tantiemen von der GEMA bekommt, wenn mehr Musik im Film ist. Na, ob da wohl irgendein Zusammenhang besteht ?

Meinst Du, dass das Interesse der Zuschauer an Filmmusik in den letzten Jahren zugenommen hat?
Das ZDF beispielsweise bietet auf der eigenen Homepage Music2Movies www.filmmusik.zdf.de, die nur der Filmmusik gewidmet ist, den Zuschauern an, noch einmal in die Musik reinzuhören oder sich weiter zu informieren. Es gibt in allen deutschen Städten immer mehr Filmmusikkonzerte und auch die Radiosender spielen immer mehr Filmmusik (Klassik Radio).
Diese filmmusikalische Entwicklung ist doch sehr begrüßenswert, oder?

Ja, es scheint so. Je mehr Interesse für Filmmusik besteht, umso besser ist es natürlich. Ich freue mich über diese Entwicklung.

Welche Projekte liegen denn noch in nächster Zeit bei Dir an? Was wirst Du in nächster Zeit komponieren oder was bekommen wir von Dir zu hören?

Am 26.4. kommt unsere Doku Die Hochstapler ins Kino. Übrigens, Asche auf mein Haupt, doch wieder ein richtiges Orchester, angereichert mit E-Gitarren, Beats, Tangobandoneon und , und, und. Absolut sehenswert und spannender als jede Fiction. Ein richtiger Film halt.
Nächste Woche habe ich Aufnahmen mit dem Bayerischen Rundfunkorchester. Ein autonomes Werk, Opus 1, Brahms sucht seine Hausschuhe und findet sie. Ein Stück für E-Gitarre, 2 Drum-Solisten und Orchester.
Dann arbeite ich noch an der Fertigstellung des Kinofilms Ausländer ohne Grund für den iranischen Regisseur Bahman Nedaei und außerdem bittet der Produzent der neuen Reinhard Mey-CD um meine gitarristische Mithilfe.
Auf Alhambra Records erscheint zudem noch eine CD-Veröffentlichung meiner Orchestermusik zu Der Tote am Strand, der im Herbst im ZDF ausgestrahlt wird.

Auf meiner Hompage
findet man immer die neuesten Sendetermine.

Herzlichen Dank für das Interview.

Hier können Sie auf der ZDF-Seite Music2Movies noch einmal in die Musik reinhören.
Die offizielle Seite des Films beim ZDF.