
Sony Classical 92689 (55:37; 16 Tracks)
(OT: Ladies in Lavender)
Nigel Hess macht sich schon seit Jahren verdient durch die Vertonung zahlreicher britischer Fernsehproduktionen, sein Engagement bei der «Royal Shakespeare Company», sowie sein Schaffen im Bereich von Klassik und Blasmusik. Bisher ausserhalb der Insel kein grosser Name, vermag die wundervolle Arbeit für Ladies in Lavender vielleicht seinen Bekanntheitsgrad ein wenig zu steigern. Dieser Score verrät einen traditionellen Komponisten, der vortrefflich englische Romantik mit feuriger slawischer Schwermütigkeit zu verschmelzen weiss.
Der Film ist das Regiedebüt des Schauspielers Charles Dance und spielt im Jahre 1936 in einem Fischerdorf an Cornwalls Küste, wo ein verschrobenes Geschwisterpaar (Judi Dench und Maggie Smith) den gestrandeten Andrea bei sich aufnimmt.
Da Andrea ein polnischer Violinist ist, kommt diesem Instrument große Bedeutung zu. Deshalb wurde der bereits filmerprobte Joshua Bell verpflichtet. Hess gibt seinem namhaften Solisten dank sparsamer Begleitung, die oft nur aus Harfe, Klavier und Holzbläsern besteht, viel Raum und Bewegungsfreiheit. Bell spielt sich denn auch sofort mit dem idyllischen und ergreifenden Hauptthema Ladies in Lavender direkt ins Herz des Hörers. Mit Olga folgt gleich das nächste berührende und sensible Thema, bei dem Bell vom Komponisten höchstpersönlich am Klavier begleitet wird. Teaching Andrea präsentiert ein weiteres liebliches Motiv, bevor dann in Fantasy for Violin and Orchestra Joshua Bell gemeinsam mit dem vollen Royal Philharmonic Orchestra brilliert.
Das Niveau dieser vier ersten Tracks erreicht Hess danach nicht mehr ganz, weil nun vermehrt das Klavier solistische Aufgaben übernimmt. Zwar bleibt es nach wie vor schöne melancholische Musik, jedoch vermisst man die anfängliche Inspiration. Diese kehrt vor allem dann zurück, wenn Bell wieder ins Geschehen eingreift. Der rund halbstündige Hess-Anteil wird vom Soloklavier in Two Sisters abgeschlossen.
Ein nicht unwesentlicher Teil der CD besteht aus klassischen Stücken, wie dem bekannten Meditation from Thaïs von Massenet, The Girl with the flaxen Hair von Debussy und Variations on the Carneval of Venice von Paganini. Diese wurden jedoch nicht willkürlich, sondern mit Bedacht von Hess ausgesucht und größtenteils selbst bearbeitet, um möglichst gut mit seinen eigenen Kompositionen zu harmonieren. Lediglich Zabuwa Weselna, ein flotter polnischer Tanz, fällt etwas aus dem Rahmen und wurde wohl als Showpiece für Bells Virtuosität gewählt.
Ladies in Lavender ist für mich zumindest in Teilen der bisher schönste Score des laufenden Jahres; vor allem die ersten vier Tracks sind bei mir so häufig gelaufen wie schon lange nichts mehr an aktueller Filmmusik. Gibt es ein besseres Kompliment für Nigel Hess?
Bewertung: ★ ★ ★ ★
Von Andreas Süess