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Philipp Fabian Kölmel im Interview

Jürgen Himmelman:
Können Sie etwas über sich und Ihren musikalischen Werdegang erzählen? Wie sind Sie überhaupt erst zur Musik gekommen?

Philipp Fabian Kölmel:
Musik spielte bei uns zu Hause immer eine große Rolle. Mein Vater hat sehr gut Klavier gespielt, obwohl er hauptberuflich Arzt ist. Ich habe Abends beim Einschlafen stundenlang seinem Klavierspiel gelauscht. Mit sieben Jahren begann schließlich meine eigene Klavierausbildung, später kam noch Kontrabass dazu, was mich in viele Jugendorchester brachte. Auf dem Gymnasium in Berlin gehörte ich folglich zur Musikclique, was in dem Wunsch nach einem Musikstudium mündete. Zu der Zeit hatte ich auch schon in diversen Genres Musik komponiert und mich für Synthesizer begeistert.

Da mich die ganze Musiktechnik immer sehr interessiert hatte, schien das Tonmeister-Studium zunächst ideal für mich. In der Mitte des Studiums kam allerdings nach einem Praktikum in der Tonmeisterabteilung des NDR die große Krise: Irgendwie hatte ich plötzlich keine Lust mehr nur dafür zuständig zu sein, die Musik bzw. das Musikspiel der Anderen in perfekte Form zu gießen. Ich war soweit, dass ich ganz mit der Musik aufhören wollte und begann ein Architekturstudium. Ein großer Lichtblick kam schließlich durch das neu eingerichtete Studium “Komposition für Film und Fernsehen” von Prof. Enjott Schneider in München. Die Verbindung von Studiotechnik und Kreativität – dem Komponieren in ständig neuen Musikstilen – das alles in einem Beruf war perfekt für mich.

In Workshops haben Sie Fred Karlin (Westworld, 1973) und Mark Isham (The Black Dahlia, 2006) kennen gelernt. Wie verliefen diese Begegnungen, würden Sie solche Workshops anderen jungen Komponisten empfehlen?

Fred Karlin, der leider inzwischen an Krebs gestorben ist, gab damals einen einwöchigen Meisterkurs in dem EUROPEAN FILM COLLEGE in Ebeltoft/Dänemark. Wir hatten dort jeder einen eigenen MIDI-Arbeitsplatz und haben unter Karlins Anleitung zu vorgegeben Filmen Layouts komponiert. Da sich weder Fred Karlin noch die anderen Organisatoren so detailiert mit der MIDI-Technik auskannten, hat sich irgendwie ergeben, dass ich während des Workshops zusätzlich Karlins Technikassistent wurde. Als Dank erhielt ich die Workshopgebühren erstattet und ein handsigniertes Exemplar von Karlins dicker Filmusikbibel “ON THE TRACK”.
Parallel zum Workshop gab es allerhand Lectures und natürlich Filmscreenings, die wir diskutiert haben. Der Filmkomponist Fred Karlin hatte einfach eine unglaubliche Ahnung von Business in Hollywood, die er uns hochmotivierend weitergegeben hat. Auf dem Workshop war u.a. Niki Reiser Special Guest, der seine damals enorm erfolgreiche Score zu Jenseits der Stille präsentierte.

Bei einem Aufenthalt in Los Angeles im Rahmen der Filmmischung zum Film Cascadeur – Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer in den berühmten Soundelux Studios bin ich auf einen zweitägigen Workshop von Mark Isham gestossen. Zunächst hat mich irritiert, dass das Ganze in den Räumlichkeiten der Scientology-Church stattfand, aber es ist kein Geheimnis, dass Mark Isham, genauso wie einige andere Hollywoodstars (z.B. Tom Cruise, John Travolta) der Scientology-Kirche angehört. Zum Glück war die Veranstaltung kein Bekehrungsversuch, sondern im Prinzip eine Werkschau des Meisters ohne hands-on, wie das in Dänemark der Fall war.

Auf jeden Fall kann ich jedem Filmmusiker sehr empfehlen, sich auf gute Workshops oder Filmmusikfestivals (z.B. Soncinemad in Madrid oder das Festival in Úbeda) zu begeben. Der wichtigste Aspekt ist, dass es einen motiviert und mal aus seinem eigenen Trott herauskommt lässt. Allerdings sollte man sich vorher genau informieren, damit die jeweilige Veranstaltung einen nicht zu sehr unter- oder überfordert.

Am Montag, den 21. Mai läuft auf Pro 7 das Event-Movie Das Inferno – Flammen über Berlin, wie sind Sie zu diesem Projekt gekommen?

Für die Produzenten Max Wiedemann und Quirin Berg, die durch den Oscar für Das Leben der Anderen berühmt geworden sind, hatte ich schon zu Studienzeiten diverse Filmmusiken zu Kurzfilmen komponiert. Sie haben mich für das Projekt empfohlen. Trotzdem kam ich nicht um ein Pitch drumrum, und ich musste mich mit anderen Komponisten anhand von zwei längeren Filmszenen messen lassen, für die ich zur Probe Musik komponierte. Eine Methode, die ich nicht so mag, gibt es doch inzwischen zahlreiche Filmmusiken, die ich in Form von Demo-CDs oder Filmausschnitten auf DVD zum Beleg meiner Möglichkeiten präsentieren kann. In dem Fall gab es sogar noch eine zweite Pitchrunde, bei der die Bewerber – diesmal ohne Bild – einfach mal ein Heldenthema komponieren sollten. Klar, dass ich später das Thema so nicht mehr verwenden konnte. Nach einer Blindpräsentation (also ohne, dass die Urheber genannt wurden) mit Sender, Regie und Produzenten, fiel die Wahl schließlich auf mich.

Das Inferno – Flammen über Berlin ist ja ein Katastrophenfilm. Haben Sie sich im Vorfeld explizit mit diesem Genre beschäftigt, das ja auf eine lange Tradition zurückblickt?

Ich kenne und liebe die Katastrophenfilme der 70er und 80er Jahre. Besonders geschockt war ich damals von dem Film Earthquake, allerdings habe ich mich zu der Zeit nicht bewusst mit der Filmmusik befasst. Die ist von John Williams, es würde mich interessieren, was ihm dazu einfiel.
Vielmehr habe ich aber mit dem Regisseur Rainer Matsutani (Nur über meine Leiche, 666 – Traue keinem, mit dem du schläfst!) über unsere gemeinsame Sucht nach der TV-Serie 24 gesprochen, die von der Spannung und vielleicht auch von der Musik Gemeinsamkeiten mit Das Inferno – Flammen über Berlin hat. So gibt es zahlreiche “Cliffhanger”, also Szenen, bei denen sich die Situation und die Musik dramatisch extrem zuspitzt.

Wie sah Ihre Herangehensweise und Ihr musikalisches Konzept bei diesem Film aus?

Beim Inferno haben wir neben den Schauspielern einen weiteren Protagonisten: das Feuer. Da die Flammen optisch und akustisch aber sehr präsent sind, musste ich dass Feuer nicht noch extra in Musik fassen oder sogar ein Feuer-Thema kreieren. Es geht in dem Film ja auch um die Panik der Menschenmenge und die heldenhaften Leistungen der Feuerwehr. Zunächst habe ich deshalb nach einem griffigen Hauptthema (dem Helden- bzw. Feuerwehrthema) gesucht, das wandelbar genug ist, um den ganzen Film zu tragen. Das Liebesthema konnte ich aus meiner Arbeit für den Pitch übernehmen. Später ist noch ein “Wir-ziehen-den-Plan-jetzt-durch-aber-die Zeit- verstreicht-zu-schnell”-Thema hinzugekommen, was sehr deutlich im hinteren Teil des Filmes zur Geltung kommt.

Insgesamt habe ich einfach chronologisch von vorne bis hinten durchkomponiert und mir vorgenommen, täglich zwei Minuten zu schaffen. Der Film hat, und das ist Genre-typisch, einem sehr hohen Musikanteil. Anfangs hatte ich inklusive Abspann 1 Stunde 40 Minuten Musik, wovon später in der Mischung ca. 10 Minuten rausgefallen sind, da wir uns hier und da auf der Soundebene mit dem Tonmeister für die Macht des Feuers entschieden haben.
Da wir kein Budget für Orchester hatten, ich aber einen optimalen und sehr fetten Sound wollte – orchestral mit vielen elektronischen
Elementen – habe ich an der Musik sehr detailliert und zeitintensiv
gepuzzelt. Allein die Sounds zusammenzusuchen, die man für richtig brachiale Percussionschläge oder ungemütliche Atmosphären braucht, dauert lange. Natürlich macht es Spaß, wenn man ein echtes Orchester zur Verfügung hat. Aber durch Serien wie 24, und auch durch die Hans-Zimmer-Schmiede hat sich der synthetische Orchestersound als quasi neues Instrument für das Action- und Thriller-Genre etabliert. Inzwischen finde ich die enorme Flexibilität, die man mit der aktuellen Sample-Technik hat, sehr beeindruckend; sie führt zu völlig neuen Wegen.

Etwa vier Wochen nach dem Fernsehstart gibt es den Film sogar auf DVD. Das interessante dabei ist, dass es einen “isolated score” geben wird, also die Möglichkeit die Tonspur so umzuschalten, dass man nur die Filmmusik zum Bild hören kann.

Abschließend noch eine Frage: Was sind Ihre filmmusikalischen und NICHT-filmmusikalischen Vorbilder? Haben Sie einen Lieblings-Filmscore?

Speziell für Das Inferno – Flammen über Berlin waren meine Vorbilder die Musik zu 24 von Sean Callery (der für die Serie aus Budget- und Zeitgründen übrigens auch reine MIDI-Produktionen ohne echte Musiker abliefert) und die Scores zu Sentinel und Elektra von Christophe Beck. Gerade letztere beiden Titel kann ich jedem Filmmusikinteressierten wärmstens ans Herz legen. Es ist faszinierend, wie perfekt und kreativ bei Beck das Zusammenspiel zwischen Orchester- und Elektronikmusik funktioniert.
Ansonsten sind meine Lieblingsfilmkomponisten John Williams, Danny Elfman und Thomas Newman. Unter den Nichtfilmkomponisten hat mich lange Zeit die Musik von Pat Metheny und Kraftwerk begleitet. Aus der klassischen Abteilung bewundere ich die Orchesterfarben von Strawinsky, Bartok und Richard Strauss.

Das Interview führte Jürgen Himmelmann

Das Inferno- Flammen über Berlin läuft am 21. Mai um 20:15 Uhr auf Pro7, Wdh. 27. Mai 2007, 00:50 Uhr

weitere Informationen unter: PRO7 – Das Inferno – Flammen über Berlin

Homepage des Komponisten: Philipp Fabian Kölmel