
BMG/Seven Days Music CD 82876656012 (67:46 / 23 Tracks)
Ein populärer Name in Verbindung mit einem Wohnsitz in Hollywood, muss gerade im Filmmusikbereich nicht immer ein Garant für Qualität sein. Hans Zimmer ist ein Beispiel dafür. Der deutsche Komponist hat Hollywood mit massenkompatiblem Orchesterkitsch à la König der Löwen, King Arthur und Gladiator (der nun atmosphärisch überhaupt nicht zum letztgenannten Epos passte) erobert. Melodieführung und Arrangement waren meist ziemlich simpel gestrickt, wobei die inzwischen für die „Traumfabrik“ typische Streichersoße auch zu seinem Markenzeichen wurde. Wohlklingend, aber uncharismatisch und austauschbar. Mit dieser auf pompös getrimmten Hausmannskost hat Zimmer Oscars, Golden Globes und Grammys eingeheimst. Doch Ausnahmen bestimmen die Regel: Bei Der schmale Grat wurde die melancholisch-naturverbundene Stimmung des esoterischen Antikriegsfilms nicht nur durch die Bilder, sondern auch durch Zimmers Score heraufbeschworen.
Nun hat er für Lauras Stern, einem der schönsten Kinderzeichentrickfilme der letzten Jahre, die Musik geschrieben, allerdings nicht allein und die kompositorischen Verstärkungen in Form seiner „Schüler“ Henning Lohner und Nick Glennie-Smith haben dem Gesamtresultat sichtlich gut getan. Das Triumvirat hat mache Stücke des über 70minütigen Soundtracks gemeinsam erarbeitet, andere tragen wieder die Handschrift eines „Schöpfers“. Sie nehmen die kindliche Wahrnehmung ernst – und das kommt natürlich auch dem erwachsenen Zuhörer zugute.
Lauras Stern ist eine nach Bilderbüchern von Klaus Baumgart entstandene Geschichte über das Loslassen – und das fällt bekanntlich den meisten nicht leicht, erst recht nicht kleinen Kindern. In der Nacht entdeckt Laura von ihrer Dachterrasse aus, wie ein winziger Stern in den nahe gelegenen Park fällt. Sie läuft sofort dort hin und holt den Stern in ihr Zimmer, verarztet ihn und versteckt ihn vor ihrer Familie. Es beginnt eine unglaubliche (aber nicht unglaubwürdige) Freundschaft, doch Laura ahnt, dass der Stern Heimweh hat. Und wirklich: Er verliert seine Leuchtkraft. Laura muss lernen ihn wieder ziehen zu lassen, wobei ihr der zunächst wenig sympathische Nachbarjunge Max, der sich im Verlauf der Geschichte als echter Freund erweist, hilft.
Das Komponisten-Trio hat sich für voll-sinfonische Musik entschieden, die eher Wolfgang Amadeus Mozart huldigt als John Williams. Sowohl zu Lauras zartem Wesen als auch zu ihrem zerbrechlich wirkenden Stern passt das sehnsüchtig anschwellende Hauptmotiv des Opening Title von Glennie-Smith, das auch in allen folgenden Stücken anklingt, ohne aufdringlich zu wirken. Die Variationen sind mal heiter, dann wieder melancholisch, räumerisch oder im Marschryhthmus – ganz zu der jeweiligen Szene des Films passend. Neben sanften Streichern und Flöten dominiert die von Anne Riedel gespielte Harfe. Besonders bezaubernd ist das Sun and Moon Ballet von Henning Lohner gelungen – die beiden Himmelskörper könnten gegensätzlicher nicht sein: Während die gütig-verständige Sonne Laura zum Loslassen des Sterns animiert, ignoriert der grummelige Mond die Existenz des von Heimweh geplagten immer schwächer leuchtenden Findelkindes. Auch musikalisch ein witzig-betörendes Duell.
Das „Deutsche Filmorchester Babelsberg“ präsentiert sich – unter der Leitung von Glennie-Smith – auf gewohnt hohem Niveau. Als Cellist konnte der renommierte Jan Vogler gewonnen werden. Selbst die zwei obligatorischen Popsongs (Stay, Touch the Sky) der diesmal sehr folkigen Band Wonderwall des für seine Belanglosigkeit ansonsten gefürchteten Jack White fügen sich nahtlos in die runde Produktion, die nicht nur eingefleischten Filmmusikfreunden, sondern auch jüngsten Hörern Genuss bereitet – und das bereits im Kino. So wippte meine Ballett begeisterte fünfjährige Tochter Laetitia-Ribana im Saal zu den orchestralen (!) Klängen mit und meinte nach der Vorführung: „Das war schöne Musik!“. Ein besseres Kompliment kann man einem Soundtrack wohl nicht machen.
Bewertung: ★★★★
Marc Hairapetian
erschienen in The Film Music Journal 33/34 (Frühling 2005)