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Dreamgirls (2006)

R: Bill Condon, D: Beyoncé Knowles, Jamie Foxx, Eddie Murphy, Jennifer Hudson
Songs: Henry Krieger, Lyrics: Tom Eyen, Score/Arrangements: Stephen Trask
Vertrieb: Paramount
EAN: 4047553500522

Film: ★★★★
Musik im Film: ★★★★
DVD-Technisch: Bild: ★★★★☆ , Ton: ★★★★☆

Aufstieg und Fall einer Girl Group
Dreamgirls ist die Verfilmung eines Broadway-Musicals. Ein fiktionalisiertes Lehrstück über den Motown-Chef Berry Gordys (hier Curtis Taylor jr.) und seinen geglückten Versuch mit den Supremes (hier den Dreams) den weißen Pop-Markt zu knacken. Der emotionale Schwerpunkt liegt nicht auf der von Beyoncé Knowles verkörperten Diana Ross-Figur Deena, sondern auf den Opfern der Crossover-Strategie: der zurückgelassenen anfänglichen Frontfrau der Dreams Effie – mit viel Power verkörpert von der Oscar-prämierten Jennifer Hudson – zu üppig und schwarz für den Crossover-Erfolg. Und dem von Rassismus, Markterwägungen und Drogen gebeutelten Soul-Sänger Jimmy Early (Eddie Murphy so gut wie noch nie) – von Szene zu Szene an Wilson Pickett, Jackie Wilson und Marvin Gaye angelehnt.

Pop-Politics
Was ist diesem Film nicht alles vorgeworfen worden: Soap-Operatics, das Ausblenden der Politik der Zeit, Beyoncé Knowles. Zunächst: Dreamgirls ist keine Charakterstudie, sondern ein Musical. Und was für eins: mitreißend, temporeich, voller sehr genauer Anspielungen auf die Soul- und Pop-Geschichte. Der Schnitt ist rasant wo nötig, macht aber nicht (wie Moulin Rouge und Chicago) den Fehler ein hektisches MTV-Tempo vorzulegen, das im Kino zu Stresserscheinungen führt mit dem Ergebnis, dass man sich am Ende fragt, was man gerade gesehen hat. Dreamgirls beherzt die alte Fred Astaire-Weisheit: „Entweder tanze ich oder die Kamera.“ und ermöglicht es so die brillanten Choerographien von Fatima Robinson voll zu goutieren.

Bill Condon versteht es Bio-Pics zu drehen, die die problematischen Aspekte dieser Gattung – die vorhersehbare Aufstieg und Fall-Dramaturgie; die Verflachungen und Vereinfachungen der Historie, die mit den narrativen Konventionen einhergehen – geschickt umgehen (Gods & Monsters war ein sensibler über die letzten Tage des Frankenstein-Regisseurs James Whale und Kinsey wird der Arbeit des Mannes gerecht, auch in den Szenen aus seinem Privatleben). In gewisser Weise ist Dreamgirls sein bisher konventionellstes Bio-Pic – narrativ geradlinig erzählt es vom Aufstieg und Fall einer Soul-Dynastie. Durch die Fiktionalisierung der Geschichte der Supremes und ihres Labels Motown gelingt Condon aber ein kritisches Lehrstück über das Musikbusiness und die Effekte, die der Rassismus auf die Aufstiegsträume seiner Protagonisten hat. Würde Spike Lee ein Musical drehen, würde es wahrscheinlich diesem ähneln. Jamie Foxx spielt den fischigen, aber hellsichtigen Svengali Curtis Taylor jr., der ein genaues Verständnis der Mechanismen des Rassismus hat und keine Skrupel hat Karrieren und Leben anderer zu opfern, um seinen Erfolg zu sichern. Entsprechend ist die Geschichte des schwarzen Widerstands (wir sehen Martin Luther Kings Schallplatte, kriegen einen kurzen Blick auf die Riots nach seinem Tod) lediglich der Hintergrund vor dem sich diese Geschichte eines Soul-Labels abspielt. Die Politik steckt folgerichtig in Szenen wie der, in der das erste Stück der Dreams, das es ins Radio schafft von einer aseptischen weißen Vokalgruppe gecovert wird. „Who was the first artist to sing ”šHound Dog”˜?“, fragt Curtis den aufgebrachten Songschreiber C.C. (Keith Robinson), der naturgemäß „Elvis Presley“ antwortet. „Big Mama Thornton.“ erwidert Curtis „she had the number one single on the R’n’B-Charts but the white stations wouldn’t play it because to them it was just another race record.“

Auch Ex-Destiny”˜s Child Beyoncé Knowles liefert eine beeindruckende Performance. Dass sie einen weniger bleibenden Eindruck hinterlässt als Jennifer Hudson liegt zum Großteil am Drehbuch, das naheliegenderweise stärker an dem Opfer der Erfolgsstrategie interessiert ist als an der Gewinnerin. Hier liegt der Grundkonflikt und das Drama der Story. Und vorangetrieben wird es in den Musiknummern, weniger in den Dialogszenen. Am deutlichsten wird das in der gesungenen Streitszene, die Effies Rausschmiss besiegelt (It’s All Over) und in einem karthartischem Solo Jennifer Hudsons gipfelt (I’m not going).

Ein Schnelldurchlauf durch die Geschichte des Soul
Das musikalische Herz dieser DVD sind natürlich die Songs. Und denen gelingt das Kunststück die unterschiedlichsten Spielarten des Soul im Wandel der Zeit mit den Ansprüchen, die ein Musical an Songs stellt – nahtlose Einbindung in die Handlung und Unterstützung der Dramaturgie – zu verbinden. Die Entwicklung der Soul-Musik von seinen Blues-Roots über erdigen Southern Soul und Motowns Pop-Soul bis hin zu Disco wird in den Songs reflektiert, ohne dass diese wie billige Imitate bekannter Stücke klingen. Eddie Murphys stark sexualisierte Performances sind an James Brown und Wilson Pickett angelehnt und der Protestsong, den seine Figur Jimmy Early während des Vietnam-Krieges gegen den Widerstand Curtis Jackson jr. veröffentlichen will, borgt sich den Rhythmus von Solomon Burkes Version von Sam Cookes A Change Is Gonna Come. Die Songs, die auf dieser Grundlage arbeiten, haben aber eine Eigenständigkeit, die nie nach Pastiche klingt.

DVD-Technisch:
Das Bild wird der nuancierten Farbenpracht des Films gerecht, der Ton ist voll und mitreissend. Die mir vorliegende einfache DVD bietet als Extras ein Video von Beyoncé (Listen) sowie die Option einige Musiknummern des Films in marginal längeren Versionen zu sehen, inklusive eines 1 ½ minütigen Stücks von Jennifer Hudson und Keith Robinson, das es nicht in den Endschnitt geschafft hat. Leider gibt es keinen Audiokommentar. Den gibt es auch nicht auf der 2-Disc-Special-Edition, die allerdings mehrere Features zur Entstehung des Films und der zugrunde liegenden Broadway-Show bietet.

Dieter Wiene