
Emperor Norton EMN7068-2 (53:56 / 15 Tracks)
Sophia Coppolas Lost In Translation ist ein kleiner intimer Film und keine gewöhnliche Komödie. Vielleicht resultiert daraus dieser ebenfalls ziemlich ungewöhnliche Soundtrack. Ein Song-Sampler im eigentlichen Sinne, wie man es bei einem solchen Film erwarten könnte, ist es jedenfalls nicht, denn dafür ist der Anteil an Originalmusik zu groß. Ein Original Score ist es aber auch nicht, dafür ist wieder der Song-Anteil zu groß. Der Anteil an Originalmusik beträgt (auch im Film) nur knapp 20 Minuten, beinhaltet bereits einen Song und stammt von sage und schreibe fünf Komponisten! Dazu kommen weitere Songs und Instrumentalstücke. Bei soviel Durcheinander kann doch nichts Vernünftiges herauskommen, ist man geneigt zu denken. Falsch gedacht! Die Mischung aus einigen Songs und Instrumentalmusik ist sehr gelungen und homogen. Die Musikproduzenten haben Fingerspitzengefühl bei der Zusammenstellung bewiesen, denn die einzigartige Atmosphäre des Films spiegelt sich wunderbar in diesem Album wider. Die instrumentale Musik ist zwar kompositorisch sehr einfach gestrickt, für eine kleine Besetzung geschrieben (Synthesizer mit Gitarre und Schlagzeug), und sie folgt auch keineswegs einem thematischen roten Faden. Aber das schadet dem Gesamtbild überhaupt nicht, denn oft mutet auch der Film ein wenig minimalistisch an und ist sehr zurückhaltend inszeniert. So sind vor allem die Instrumentalstücke, die insgesamt sehr ruhig und manchmal fast meditativ daher kommen, erstaunlich effektiv und stimmungsvoll.
Allerdings hat dieses Album zwei Haken:
Zum einen wirkt es wahrscheinlich nur auf jene Zuhörer, die auch schon großen Gefallen am Film fanden, und zum anderen ist die Trackreihenfolge bunt durcheinander gewürfelt. Gerade hier steigert aber die chronologische Reihenfolge der Stücke das Hörvergnügen besonders, daher sei die richtige Reihenfolge angegeben: I, 5, 9, 3, 13, 10,4,7, 11, 14, 12,6, 15,2,8. Zwar taucht Track 6 (Goodbye) im Film gar nicht auf, dürfte aber für die Abschiedsszene am Schluss gedacht sein. Ein kleines Bonbon hält übrigens das letzte Stück auf der CD bereit. Wer nämlich Just Like Honey auch nach dem letzten Ton lange genug durchlaufen läßt, bekommt als hidden track noch Bill Murrays Karaokeeinlage von Bryan Ferrys More Than This zu hören!
Dieses Album, das sich wohl doch am ehesten als Sampler bezeichnen läßt, zeigt, wie es gehen kann: Keine lustlose Aneinanderreihung beliebiger Chart-Songs, sondern eine feinfühlige Zusammenstellung aus wenigen, guten Liedern und (originaler) Instrumentalmusik zu einem stimmigen Gesamtbild. Aus diesem Grunde sei hier auch das Album als solches bewertet und nicht der “Score”.
Bewertung: ★★★★
Klaus Post
erschienen in The ilm Music Journal 33/34 (Frühling 2005)