
La-La Land Records LLLCD 1016 (71:49 / 28 Tracks)
“A long time ago, but not so far away … before Lucas, before Spielberg, before Rodenberry, there was George Pal” Mit diesem einstimmenden Zitat aus dem luxuriösen Begleitbooklet, geschrieben von Randall D. Larsson, sei die Rezension von Musiken zu Filmen des wohl größten 1950/1960er Vorreiters aller späteren Sci-Fi- und Fantasy-Filme eingeleitet.
George Pal war von Geburt her ein Ungar, der 1908 in eine Theaterfamilie hineingeboren wurde und über mehrere europäische Stationen (deutsche UFA; Firma Philipps/Niederlande; Großbritannien) schließlich nach Hollywood auswanderte, um dort von Anfang an sein deutliches Talent in der Umsetzung phantastischer und märchenhafter Filmstoffe mittels Puppen-Animationen auszuleben. Auf der vorliegenden CD finden sich Auszüge aus den Musiken zu seinen letzten sieben Filmen. Vorausgehende Filme wie The Great Rupert, Destination Moon, When Worlds Collide und War of the Worlds sowie ihre Komponisten werden jedoch im Booklet kurz besprochen, was das Verständnis für die kontinuierliche Entwicklung der Film- und Musikstoffe ermöglicht.
Die CD schließlich beginnt mit den bei den Russell-Garcia-Musiken für Atlantis – The Lost Continent (Track 1 – 4) und für die berühmte Time Machine (Track 5 – 8). Pal hatte im Vorfeld der Produktion zum letzteren Film Musik von Garcia für die Liberty Records gehört, nämlich seine Fantasia – Music from Outer Space, und wurde sogleich aufmerksam auf den Komponisten. Mit dem Ergebnis für Time Machine war Pal so zufrieden, daß er ein Folge-Engagement für Atlantis einging. Beide Musiken sind streckenweise recht gut vergleichbar, da sie den unverwechselbaren Personalstil Russell Garcias tragen, der an drei stilistischen Ausdrucksmitteln sehr gut zu erkennen ist: 1. Er fügt gern und häufig ausgeprägte Harfen-Glissandos ein, die meist in emotional aufwühlenden Szenen zum Tragen kommen. 2. Sein ausgeprägtes Talent für sehr schöne, romantisch instrumentierte Melodiemotive, die der historischen englischen Folklore entsprungen sein könnten, stellen besonders im leitmotivischen Einsatz in der Time Machine (viktorianisches England plus treuer Freund des Protagonisten) einen musikalisch extrem bereichernden Aspekt dar. 3. Garcias Neigung zu futuristischen Musikexperimenten (s.o. seine Fantasia) verhelfen in den entsprechend unwirklich-zukünftigen bzw. den “unvorstellbar weit zurückliegenden” Filmpassagen dem Zuhörer zur entsprechenden akustischen Orientierung. Garcia hätte besonders in der Time Machine gern mehr davon eingesetzt, aber das leicht surreale Ergebnis war dann doch mehr als George Pal ertragen konnte, so dass Garcia zum großorchestral-klassischen
Ansatz zurückkehrte und nur im späteren, tatsächlich in der Zukunft stattfindenden Teil des Films die moderneren Ansätze verwirklichte.
Leigh Harline schrieb die Musik zu The 7 Faces of Dr. Lao (Track 9 – 12), was man auch bei nur geringer Kenntnis seiner Werke herauszuhören vermag. Harline war seit den Zeiten der Disney’schen Silly Symphonies (seit 1932) als ein besonders fähiger Schreiber von sehr eingängigen Liedmelodien bekannt, was sich auch in Snow White and the Seven Dwarves oder Pinocchio (“When You wish upon a star”) äußerte, bevor er viel später gen RKO abwanderte, um sich auch einiger Horrormusiken (!) anzunehmen.
Der Film, in dem Tony Randall sieben verschiedene Rollen spielen mußte, handelte von einem chinesischen Wanderzirkus-Zauberer, der 1920 die zunächst unwillig-ablehnenden Bewohner eines Prärie-Städtchens in Arizona durch verschiedene Vorstellungen und Konfuzius-Weisheiten zum Besseren bekehrt. Dabei sind selbstverständlich sowohl Western-Motive vorhanden (9: Main Title), als auch die schon vom asiatischen Protagonisten her anzunehmenden pseudo-chinesischen Musiken, herrlich anzuhören in ihrer pentatonischen Monochord-Umsetzung, jedoch stets einem zutiefst europäischen Gefühl für Melodiebögen folgend (in mehreren der Tracks), ebenso wie ein dem Rousseau’schen Weltbild entsprungener Tanz des griechischen Pan (11: Pan’s Dance), der sich allmählich steigert und durch Tambourine, Harfe und Xylophone eine entsprechende Wirkung erzielt. Ebenfalls auf Leigh Harline geht auch die Musik des Märchenfilm-Klassikers The Wonderful World of the Brothers Grimm (Track 19: Prologue/Main Title) zurück, wiederum mit einem glänzenden, teils durch das Cembalo intonierten Meldodiemotiv, munter, fröhlich und schließlich in eine Pfeifbegleitung einmündend. Mitreißend als Einleitung eines so “klassischen” Kinder-Stoffs!
Die Musik zum ebenfalls klassischen Märchenstoff der Däumlingslegende – Tom Thumb (Track 18: Main Title) – schrieb Ken E. Jones, teils zusammen mit Douglas Gamley, unter der musikalischen Leitung von Muir Mathieson. Auch hier handelt es sich um eingängige Melodiemotive, die zudem eine Vielzahl von extra für diesen Film komponierten Einzel-Songs beinhalten und verarbeiten. Fröhlich in Dur drauflosstapfend, teils in die Moll-Parallele abwandernd, stets aber zurückehrend in die optimistische Hauptmusik, leistet sich Jones auch andeutungsweise einen Ausflug in die Welt der großen, schmelzenden, alteuropäischen Walzer.
The Power (Track 13 – 17) stellte einen filmischen Flop dar, in dem der Schauspieler Michael Rennie einen hyperintelligenten, größenwahnsinnigen Wissenschaftler verkörperte, der mittels telekinetischer Fähigkeiten die Weltherrschaft übernehmen will. Der Film war jedoch war durchaus ernst gemeint, was insbesondere die Wahl von Miklos Rozsa als Komponisten erklärt. Allerdings redete Pal seinem ungarischen Landsmann doch ein wenig in dessen musikalische Pläne hinein, wie Rozsa später in seiner Autobiographie beschrieb: “I was fond of (Pal), because he was an amiable and charming gentleman. Since the main character of the film was a gypsy, and Pal was a Hungarian, he wanted me to use a cimbalon … , which produces a very distinctive sound something between a badly tuned piano and broken-down harpsichord. I don’t like the instrument much … but I didn’t object, because it seemed appropriate for the character of the man … (the picture) wasn’t a success and the cimbalon didn’t become my second theremin.” Nichtsdestotrotz schuf Rozsa eine seiner phantastischen, chromatischen Spannungsmusiken, die in Wirklichkeit nur in den Hackbrett (Cimbalo)-Passagen wirklich leidet. Eine wunderschöne zweistimmige Lauten/Gitarren-Musik à la Spanien und El Cid entwickelt Rozas in Viva La Amour (Track 15; sehr hörenswcrt). Am Rozsa-typischsten erscheint Track 16: Transformation.
Den Schlußpunkt der CD bildet Frank de Vols Musik zu Doc Savage – Man of Bronze. De Vol flocht in diesen überheroisierenden und ebenfalls floppenden Streifen (auf der Basis eines populären Pulp-Magazin-Helden, der Prä-Indiana-Jones-Züge trägt) einige authentische Märsche von John Phi)ipp Sousa (1854 – 1932) ein, von denen der im Main Title (Track 20: Main Theme) erscheinende auch zu einer Art Leitmotiv des Films wurde (“The Thunderer”). De Vol verstand es jedoch, diese etwas “heftigen” Marschmusiken glänzend mit seinem eigenen Score zu verbinden, und zwar, indem er die Märsche in den spannungs geladenen Passagen (Track 21, 22: The Assassin/After Hirn; Doc Confronts the
Assassin/Assassin Jumps) zu verfremden und ironisch zu zitieren wusste, als auch in den romantischen Musiken (Track 24, 27: Doc and the Girl; Happy Ending), denen er gänzlich sein eigenes, marsch-freies Siegel aufzudrücken vermochte. Der besonders danebengegangene “Song” auf der Basis des Intro-Marsches findet sich als allerletzter Track (28: Theme Song from Doc Savage – Man of Bronze), von soldatenhaften Männerstimmen gesungen und schließlich militärisch gepfiffen. Naja, damals mußte das sicher sein … Insgesamt eine interessante CD jenseits der Routine, deren wahrer Wert in der Zusammenstellung und Würdigung auch, und gerade, des Machers der Stoffe, eben jenes George Pal, liegt. Für jeden, der mal “das gewisse Etwas” oder auch das “etwas Andere” sucht, sicher eine willkommene Bereicherung.
Bewertung: ★★★ – ★★★★
Annette Broschinski
erschienen in The Film Music Journal 33/34 (Frühling 2005)