
Varèse Sarabande VSD-6596 (48:11 / 14 Tracks)
Es ist kein Zufall, dass die Rolle in The Misfits eine der wenigen Charakterrollen von Marilyn Monroe ist. Ehemann und Drehbuchautor Arthur Miller hat ihr die Rolle nämlich quasi auf den Leib geschrieben. Miller ist es auch, der seinen engen Freund Alex North als Komponisten für diesen Film mit ins Spiel gebracht hat. Vielleicht hätte John Huston aber auch von selbst North vorgeschlagen, denn der hatte nicht nur schon öfter mit Huston zusammengearbeitet, sondern war, bis auf wenige Filme, sein Stammkomponist. Mit von der Partie in diesem 1961 entstandenen Film sind außerdem noch Clark Gable (in seiner letzten Rolle) und Montgomery Clift. Für Monroe war es übrigens ebenfalls ihre letzte Rolle.
Gleich zu Beginn der CD wird uns, nach einer kurzen Fanfare, über einem schwerfällig-treibenden 4/4 Rhythmus in den Blechbläsern das Hauptthema in c-moll vorgestellt. Zunächst in den Violinen gespielt, endet es sehr dramatisch und auch düster in Klavier, Schlagwerk und Blechbläsern. Das im Film beliebte Klavierkonzert der 40er Jahre lässt in dieser kurzen Passage grüßen. Gleich im anschließen Track Rendezvous erklingt typische Jazzband-Musik. Die Assoziation drängt sich auf, dass diese Musik in irgendeinem Lokal seiner Zeit als Hintergrundberieselung oder seichte Tanzmusik gedient haben könnte. Die perfekte Musik um bei Feierendstimmung ganz tief in sein Glas Bier zu schauen und zu seufzen.
Es ist diese Mischung aus Jazz/Blues und Orchestermusik, die sich auch weiterhin durch den Score zieht. Das Hauptthema, gleichzeitig das leitmotivisch angelegte Thema der von Marilyn Monroe gespielten Roslyn, taucht immer wieder auf: In Roslyn als Swing-Version, in Compassion als bluesig hingehauchte Saxophonmelodie und als verspielte Variante mit einer fast schon tänzerischen Violine in Love 50 Reverie. Der Stilmischung nicht genug sind mit Paddleball und Reno Bar Dance auch zwei Rock ‘n’ Roll-Stücke vertreten.
The Misfits ist gemeinsam mit The Man with the Golden Arm von Elmer Bernstein eines der Hauptwerke, des Ende der fünfziger Jahre aufkommenden Stils der Verknüpfung von Jazz und Klassischem Orchester in der Filmmusik. Es ist faszinierend zu hören, wie North mit scheinbarer Leichtigkeit diese ganzen Elemente zu einem zusammenfügt und der ganze Score wie aus einem Guss wirkt. Viele der heutigen Komponisten machen sich nicht mal ansatzweise die Mühe, ihrer Musik die Form einer wesentlich geschlosseneren Komposition zu geben (zu ihrer Verteidigung allerdings sei angemerkt, dass an diesem Zustand aber auch Produzenten und Regisseure schuld sind). Allerdings würde ich behaupten, dass viele Komponisten, gerade einige Kandidaten der Media Ventures, kompositorisch wahrscheinlich gar nicht in der Lage dazu wären auf einer so hohen Ebene zu arbeiten, wie es Alex North bei The Misfits getan hat.
Bewertung: ★★★★
Mike Beilfuß
erschienen in The Film Music Journal 33/34 (Frühling 2005)