
Reprise Records (71:29 min / 18 Tracks)
Hätte man Shore einen derart epischen, opulenten, wuchtigen und markanten Score wirklich zugetraut? Zumindest durfte man gespannt sein, wie er die ultimative Fantasy-Geschichte musikalisch begleitet. Heraus kam eine Musik, die alles hat, was man sich von einer groß angelegten Filmmusik nur wünschen kann. Es gibt kräftige Choräle, treibende Actionpassagen, romantische, heldenhafte und, wenn auch nur kurz, fröhliche Musik. Letztere stellt sich in Concerning Hobbits in Form des Hobbit-Themas vor, das in Variationen immer wieder auftaucht. Es ist das wandlungsfähigste Thema und damit gewissermaßen das Hauptthema des Scores. In Concerning Hobbits verbreitet es ein wohliges Gefühl von Ruhe, Unbeschwertheit und Geborgenheit, wenn das Auenland und die Hobbits vorgestellt werden. Ein Gefühl, das aufgrund der Geschichte natürlich nicht lange vorhält. Zwischendurch spiegelt es immer wieder den Seelenzustand von Frodo und speziell seiner Hobbit-Freunde wider. Aber spätestens am Schluß des Films in The Breaking Of The Fellowship soll es sich genau in das Gegenteil seines fröhlichen Ursprunges verkehren, wenn es nämlich als das Stück In Dreams quasi das Klagelied auf die zerbrochene Gemeinschaft des Ringes bildet.
Sehr dominant und ständig präsent ist das Schlachtenthema mit seinem alles übertönenden Choral. Es taucht immer dann auf, wenn es zur Auseinandersetzung mit dem Bösen kommt. Hiermit wird der Film und so auch die CD (die Stücke sind chronologisch geordnet) eröffnet. Shore setzt dieses Thema relativ statisch ein, da er es immer mit voller Wucht präsentiert, vielleicht, um so immer wieder die Qualität des Bösen hervorzuheben, mit der es die Gefährten zu tun haben. Erstmals in The Council Of Elrond, nachdem sich im Hause Elronds die Gemeinschaft des Ringes gebildet hat. und gleich anschließend in The Ring Goes South, wenn die Gemeinschaft zum Schicksalsberg aufbricht, stellt sich das Heldenthema vor. Auch dieses Thema erfährt naturgemäß nur wenig Variation, soll damit doch nur Edelmut und erfolgreiches Handeln der Helden unterstrichen werden.
Bei diesen Dreien handelt es sich um die wichtigsten Themen, die immer wiederkehren. Darüber hinaus gibt es noch weitere, beeindruckende Melodien, die aber nur kurz in Erscheinung treten. Als besonders exquisites und auch innerhalb des Scores eigenständiges Stück ist The Bridge Of Khazad Dum hervorzuheben. Es beschreibt die Flucht der Gefährten vor dem riesigen Feuerdämon, dem Balrog, in den Minen von Moria, bei der auch Gandalf verloren geht. Zunächst ist es pure Dramatik, unterstützt durch einen tiefen Männerchor. Nach dem Absturz Gandalfs jedoch drückt eine eindringliche Solostimme vor zurückhaltendem Chor die Trauer der Gefährten über den Verlust aus.
Die beiden von Enya beigesteuerten Songs Aniron und May It Be fügen sich übrigens erfreulich gut in die Struktur des Scores ein, nicht zuletzt, weil auch sie orchestriert sind. Da muß man den Produzenten wohl dankbar sein, daß sie nicht durch zu viel Verlangen nach Zeitgeist die musikalische Homogenität zerstört haben. Einen Haken hat der Soundtrack jedoch: er ist viel zu kurz. Mit dem im Film verwendeten Material könnte man ohne weiteres eine Doppel-CD füllen. Die kommt dann vielleicht später, um den Fans nochmal Geld abzuknöpfen. Davon abgesehen hat Howard Shore mit diesem Album im Fantasy-Genre musikalisch einen neuen Maßstab gesetzt und eine einmalige und hervorragende Partitur abgeliefert! Da kann man sich auf den zweiten Teil nur freuen.
Klaus Post
★★★★★