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Jurassic Park III (Don Davis)

Decca 014 325-2 (54:25 / 16 Tracks)

Da haben sie ja mal wieder zugeschlagen, die ollen Dinosaurier! Man wird sie einfach nicht los. So kam es denn zu Jurassic Park III. Grauen bringt Geld. Nur mussten die Dinos diesmal, beim dritten Teil der Paläogenetik-Saga, auf die akustischen Anfeuerungen durch John Williams verzichten, der Don Davis den Vortritt gelassen hatte. Auch die Regie ging an die zweite Reihe, (Joe Johnston – Maestro Spielberg zog sich in die Sparte des Executive Producers zurück) was zu einer weiteren Verstärkung der Action-Anteile geführt hat, aber – und das sei ganz deutlich gesagt, bitte weiterlesen! – die Musik ist hörenswert. Don Davis wurde zudem offensichtlich gehalten, einige der Leitmotive von Williams zu übernehmen, womit diejenigen Fans bedient wurden, die Wiedererkennungsmelodien benötigen. Eigentlich schade, denn seit Warriors of Virtue und House on Haunted Hill weiß man, dass Davis interessante Melodien und Motive schaffen kann – Matrix fällt wegen der Effektlastigkeit etwas heraus.

Daher beginnen wir mit den Williams-Melodien: Sie sind in akkurate Tempi gesetzt, und es zeigen sich hier die hervorragenden Orchestrierungsfähigkeiten von Davis – voller, satter Klang eines hervorragend spielenden Orchesters, eben doch immer ein bisschen anders als bei I und II, eher ein Ausschöpfen und Vertiefen als ein Imitieren. Es ist eben auch eine Kunst, mit der Musik eines Kollegen umzugehen und diese wirklich gelungen in Neues, Eigenes einzubetten. Davis’ eigene Stärken sind auf dieser Scheibe besonders die neu hinzugefügten atmosphärischen Anteile, so beispielsweise die einmaligen Einleitungstakte, mit Rauschen, Chor und Glöckchen (Isla Sorna Sailing Situation), bei denen der “Gänsehaut-Faktor” garantiert ist. Sie leben – ähnlich wie Herrmann, aber noch wesentlich abstrakter – eher von Motivik denn von wirklichen Melodiebögen. Vieles stammt natürlich auch aus dem Bereich der Sound Effects, da man ja bei diesem dritten Sequel noch stärker auf die Schreckwirkung setzte (setzen musste?) und daher beständig aggressive Passagen hinunterdonnern. Aber gerade diese sind auch rhythmisch gut gesetzt, schöpfen aus dem Vollen, langsam einsetzende crescendi, fast Instrumentengruppe für Instrumentengruppe, schließlich ein letzter gewaltiger Schub mit dem Synthi-Chor, vermitteln glaubhaft die ungeheuren Dauer-Adrenalinschüttungen, unter deren Einwirkungen unsere Helden handeln müssen, und ihren ungeheuren Leidensdruck. Denn schließlich suchen sie wiederum auf einer dieser mysteriösen Inseln den verschollenen Sohn des (noch) getrennt lebenden Elternpaares, das vor lauter Schreck am Schluss wieder zueinander findet, da die Frau endlich fraulicher wird (in der stereotypen Dauerquietschundschreirolle, gähn, nichts Neues seit “King Kong”) und ihren Mann wieder als männlich wahrnimmt. Obwohl er solch ein netter, bescheidener “Softie” war, auf den ersten Blick…

Interessant war es, einen nicht so bekannten Dinosaurier als Animations-Hauptfigur auszuwählen: Der nordafrikanische Spinosaurus ist ein Vertreter einer weithin unbekannten Gruppe exotischer Theropoden (Fleischfresser) aus der Kreidezeit. Für Paläontologen wirklich ein spannendes Tierchen. Nur leider und ach – eigentlich weiß man fast nichts über diesen Dinosaurier. Daher wurde diesmal auch keine Grabung gezeigt, so mit netten, fast von selbst frei wehenden Skeletten (siehe Jurassic Park I) – es gibt nämlich nur eine ganze Handvoll Skelettelemente des Spinosaurus sowie ein paar Zähne, isolierte Wüstenfunde, den Rest hat man von ähnlichen Dinos aus Großbritannien hergeleitet. Niemand weiß beispielsweise, ob Spinosaurus überhaupt diese Riesenklauen an den Händen hatte. Die stammen vom britischen Dinosaurier Baryonyx …

Für Interessierte: Es gab natürlich wieder eine reelle Vorlage für den jungen Paläo-Karrieristen 1: Paul Sereno, seines Zeichens derzeit jüngster und erfolgreichster Dinosaurierforscher. Und seit einigen Jahren Nordafrika-Experte, beständig im Niger unterwegs. Vielleicht weiß er ja schon viel mehr, als manche ahnen?

Oft erhalten die tieferen Instrumentengruppen parallel zum Rhythmus zugkräftige kurze Melodiemuster, die dann von unten her den Rest voranpeitschen. Diese können auch ganz unvermittelt aus völlig anderen Passagen hervorbrechen (Bone Man Ben). Subjektiv betrachtet – und ist Musikinterpretation das nicht immer? – rühren gerade auch die Auflösungen, die Schlussparaphrasen des Don Davis besonders an, sie erleichtern und beschwingen, nicht nur durch die oben schon genannte volle Instrumentierung, sondern auch durch die kunstvollen Wendungen, wie ein Mahlstrom ins Dur und in die Euphorie. Streckenweise haben sie einen ausgeprägten Fanfarencharakter .

Der Schluss der CD wird durch den Abspanngesang von Randy Newman gebildet, der noch eine Art ironischen “Country”-Song beisteuert. Passend insofern, als ja doch Amerikanismen durch und durch dargestellt und propagiert werden. Trotz eines afrikanischen Dinosauriers. Verbleibt noch in die Zukunft zu blicken: „Dass ich verstehe, was die Welt im Innersten zusammenhält” (Goethe/Faust). Es muss wohl doch die Angst sein, der Horror, das Gruseln, was die Welt zusammenhält. Es gibt also bestimmt bald wieder eine CD zu besprechen, die Abenteuer von Menschen mit Dinosauriern illustriert, den jetztzeitlichen Drachen …

1 In Teil I wurde Jack Horner/Montana dargestellt (Sam Neill), der als Hauptfigur mittlerweile auch alle drei Filme durchzieht und als erster Forscher Baby-Dinosaurier-Knochen fand und beschrieb, sowie in Teil II zusätzlich Robert T. Bakker/Wyoming (mit Cowboy-Hut, Bart und Wuschelhaaren), der die große Erkenntnisrevolution über Dinosaurier in den End-1970ern einleitete.

Annette Broschinski

★★★☆