Die Mädels vom Immenhof – Hochzeit auf Immenhof – Ferien auf Immenhof – Die Zwillinge auf Immenhof – Frühling auf Immenhof
R: u.a. Wolfgang Schleif, Hermann Leitner; D: u.a. Heidi Brühl, Angelika Meissner, Horst Janson
Musik: u.a. Hans Martin Majewski, Ernst Brandner
Verleih: Carol Media
Der Heimatfilm ist das einzige genuin deutsche Filmgenre. Keine andere Filmindustrie hat je vergleichbares hervorgebracht. Seine Hochzeit erlebte der Heimatfilm in den fünfziger Jahren, mit Klassikern wie Der Förster vom Silberwald oder eben der Immenhof-Reihe, die jetzt in einer DVD-Box wieder veröffentlicht wurde. Die ersten drei Filme entstanden in den Jahren 1955 bis 1957 und waren kommerziell ungemein erfolgreich. Die letzten beiden – Zwillinge auf Immenhof und Frühling auf Immenhof – entstanden 1973 und 1974, und floppten kolossal. Anhand von Die Mädels vom Immenhof, Hochzeit auf Immenhof und Ferien auf Immenhof lassen sich Ästhetik und Mythologie des einzigen deutschen Genres nahezu idealtypisch studieren.
Die Plots der Filme sind nicht weiter relevant und werden von Film zu Film rudimentärer. Die Ponygestüt Immenhof von Oma Jantzen (Margarete Haagen) ist in finanziellen Nöten, die von den vitalen Enkeltöchtern Angela (Christiane König), Dick (Angelika Meissner) und Dalli (Heidi Brühl) behoben werden. Mindestens ein Charakter verliebt sich, den Rest des Filmes werden Pferde und unberührte Landschaften abgefilmt. Dem Heimatfilm geht es nicht um das Erzählen einer Geschichte, sondern um die Konservierung eines Zustands. Das Booklet der DVD-Box präsentiert eine Bilderserie “Drehorte – Damals und Heute”, und wir dürfen beruhigt sein: In Malente-Gremelsmühlen, dem schleswig-holsteinischen Ort, in dem die Immenhof-Filme gedreht wurden, hat sich nichts geändert.
Georg Seeßlen hat die Strukturmerkmale des Genres anhand der zweiten Heimat-Welle in Fernsehserien wie Forsthaus Falkenau und der Schwarzwaldklinik prägnant auf den Begriff gebracht. In seiner Studie zum Faschismus in der populären Kultur, Natural Born Nazis, schreibt er: “Die direkte Fortsetzung des Familienfilms der NS-Zeit und des bundesdeutschen Unterhaltungsfilms liegt indes in der Konstruktion geschlossener Systeme. Es ist durchaus spezifisch für die deutsche Serien-Produktion, dass sie so manisch den Ort bezeichnet, an dem sich ihre Konflikte abspielen, und dass sie so definitiv unterscheidet zwischen dem Innen und dem Außen, dem Dableiben, dem Weggehen und dem Wiederkehren, zwischen der Heimat und der Welt. Während, sagen wir, eine amerikanische Serie Menschen zeigt, die eine Aufgabe lösen oder Überlebensstrategien entwickeln, scheinen die Heldinnen und Helden der deutschen Fernsehserie unentwegt nach der Suche nach ihrer ‘Identität’, sie wollen unablässig wissen, ‘wo sie hingehören’.”
Und so ist der Verlust des Gutes auch das einzige, was die Protagonisten im nennenswertem Maße umtreibt. Probleme werden nicht mittels Strategien gelöst, sondern weil man ehrlich und aufrecht ist. Das Geschehen wird von simplen Gegensätzen – Land und Stadt, Alt und Jung, Arbeit und Zinswucher – strukturiert, die unermüdlich durch dekliniert werden. Im ersten Teil kommt der schnöselige Ethelbert (Matthias Fuchs) aus der Stadt nach Immenhof und bekommt von der unkaputtbaren Oma Jantzen eingebläut, dass das Herz, das deutscheste aller Organe, wichtiger ist als der Verstand. Freunde hat man dort, wo es einem gelingt, sich in eine Gruppe einzufügen. Beim “Wucherer”, den Oma Jantzen aufsucht, um sich Geld zu leihen, steht eine Menora auf dem Tisch. Dass die Hälfte der älteren Immenhof-Bewohner, so wird zumindest angedeutet, zu Fuß mehrere tausend Kilometer vorm Russen geflohen ist und sich nur noch im Sprachmodus Durchhalteparole zu äußern vermag, versteht sich von selbst.
Kurz und gut: die in verblasstem rosa gehaltene Immenhof-Box bietet anschauliches Studienmaterial für alle, die sich für die Wahnwelten des postfaschistischen Kinos der fünfziger Jahre interessieren. Für Freunde gepflegten Trashs allerdings geben die Immenhof-Filme nicht viel her, dazu ist das Ganze zu fad.
Benjamin Moldenhauer

