
Was ist dein musikalisch-biographischer Hintergrund? Wolltest du schon immer Filmkomponist werden?
Ich hatte ja früher eine Band, The Jeremy Days, und habe Songs geschrieben. Allerdings war ich immer schon Filmmusik-Fan und habe Soundtracks gesammelt. Ich habe auch viel von Filmen gesampelt, zu Band-Zeiten und später dann – als ich produziert habe – völlig exzessiv.
Ich habe ganze Tage damit verbracht Massen von alten Scores durchzuwühlen auf der Suche nach dem richtigen Streicherfetzen für einen Song an dem ich grade saß. Generell wurde die Musik, die ich gemacht habe, immer Filmmusik-beeinflusster.
Wie hast du deinen Partner Julian Maas kennengelernt?
Julian wurde mir 2000 von einem Freund vorgestellt als ich für eine Produktion einen Pianisten und Programmierer gesucht habe.
Wir haben uns im Laufe der Zusammenarbeit angefreundet und von da an eigentlich musikalisch alles nur noch zu zweit gemacht.
Wie sieht euer Arbeitsalltag aus? Wie teilt ihr euch auf bzw. wer macht was?
Wir sitzen zusammen und entwickeln einen Plan, wie der betreffende Film klingen könnte, wobei ich eher in Stilistik und Instrumentarium denke, Julian meist relativ schnell mit Themen aufwartet. Das verzahnt sich sehr schnell zu einem Haufen an Ideen und Themenansätzen aus dem dann allmählich die gesamte Musik für den Film hervorgeht.
Wir teilen uns gerne auf, um die betreffenden Szenen fertigzuschreiben, auszuarrangieren etc. Oft machen wir aber auch eine Musik komplett zusammen fertig. Das Gute ist, dass wir uns gegenseitig als Korrektiv einsetzen können. Natürlich bedeutet das auch viel Kampf, weil wir alles was unsere Studios verlässt tatsächlich gemeinsam beschließen.
Hast du filmmusikalische Vorbilder?
Früher war ich totaler Morricone-Fan, habe viel Bernard Herrmann, Lalo Schifrin und Mancini gehört. Von den aktuelleren Komponisten mag ich z. B. Jon Brion und Carter Burwell sehr. Für mich ist aber auch John Carpenter wichtig, Neil Youngs Musik zu Dead Man, oder die Art wie Kubrick Musik in den Film bringt, also Leute die mehr vom Außen kommen und Musik benutzen um eine bestimmte Wirkung zu erzielen.
Eure Kompositionen haben oft einen stark rhythmisch betonten Charakter und ihr habt keine Scheu vor einem stark elektronisch betonten Klangbild. Sind elektronische Musiken wie das Titelthema zur ZDF-Freitagabend-Krimiserie „Kriminaldauerdienst“ so etwas wie euer Markenzeichen? Arbeitet ihr gern „elektronisch“?
Wir arbeiten auch gern komplett akustisch. Was auch immer der Film erfordert. Bei “Kriminaldauerdienst” ging es darum einen Sound zu finden, der das kaputte Gefühl zwischen den Charakteren in sich trägt. Die Musik sollte eher eine Melancholie ausstrahlen als den klassischen Krimi-Drive. Im Grunde gibt es keinen einzigen elektronischen Ton in dem Stück. Das Klavierthema haben wir, nachdem es komponiert war, aus Einzelteilen zusammengesetzt, um es stilisierter klingen zu lassen…
Die abgefuckten Rausch- und Störgeräusche sind einfach Versatzstücke aus dem Mittelwellen-Radio und der Rhythmus ist eine rückwärts laufende E-Gitarre. Es sind also alles organische Klänge. Die Musik hat zwar diese urbane Härte, ist aber trotzdem gefühlvoll; sie klingt nicht kalt.
Was hältst du von Johnny Klimek und Reinhold Heil, die ja durchaus mit einem ähnlichen Stil arbeiten?
Ich glaube Lola rennt klang elektronisch – das ist aber natürlich echt lang her. Ich muss ehrlich sagen dass ich ihre Arbeit nicht gut genug kenne, um mir ein Urteil zu erlauben.
Jan-Josef Liefers in Max Minsky und ich
Wie seid ihr an denn zu dem wunderschönen Jugendfilmprojekt Max Minsky und ich gekommen?
Max Minsky und ich ist bereits unser dritter Film mit der Regisseurin Anna Justice. Sie hat mich vor ein paar Jahren zum ersten Mal angerufen nachdem sie meine Musik für den Kinofilm Crazy als temp track für ihr damaliges Projekt anliegen hatte. Julian und ich hatten uns damals gerade zusammengetan und es wurde unsere erste gemeinsame Filmmusik. Mittlerweile sind wir gut mit ihr befreundet.
Trotzdem ihr mit dem Filmorchester Babelsberg gearbeitet habt, wirkt die Musik bisweilen eher so als würde sie von einem kleinen Ensemble gespielt, bis auf wenige Ausnahmen wie zu Beginn des Films. Ist diese Unaufdringlichkeit gewollt oder stimmte einfach das Budget für das Orchester nicht?
Die Faszination mit dem Weltall ist ja ein entscheidender Bestandteil des Charakters der Hauptdarstellerin. Für diese Szenen brauchten wir eine große Besetzung und dafür wurde auch nachverhandelt. Die anderen Musikeinsätze illustrieren eher was die Hauptdarstellerin konkret im Alltag erlebt. Diese Szenen sind entsprechend persönlicher instrumentiert.
Eines meiner Lieblingsthemen im Film und auf dem bei Normal Records erschienenen Soundtrack ist Track 13 und Track 15 bzw. die Montageszenen mit dem Training und den Testspielen, die ich wunderschön orchestriert finde. Wie seid ihr auf das Thema gekommen?
Wir wollten eine stilistisch eigenständige Musik, die auch etwas mädchenhaftes hat ohne zu naiv zu wirken. Keinen Popmusik-Score der auf jugendlich macht, das hätte total anbiedernd gewirkt. Wir wussten, dass die Musik zu großen Teilen aus zweiter Reihe wirken muss, weil die Regisseurin lange Strecken mit Voiceover der Hauptdarstellerin plante. Also haben wir mit Themen rumexperimentiert. Nelly ist ja eine Art Intellektuelle mit ihrem Interesse für Astrologie und auch etwas schräg. Geschmacklich hatten wir irgendwas zwischen Royal Tenenbaums und Amelie vor Augen. Und so ergab sich auch langsam das Instrumentarium. Irgendwann hatte Julian das Hauptthema auf dem Klavier und wir haben das dann in die Instrumentierung übertragen.
Haben sich eure Ansichten und die der Regisseurin immer gedeckt?
Im Großen und Ganzen findet Anna unsere Herangehensweise fast immer gut, und wenn wir ihr Musik für eine Szene präsentieren haben wir selbst schon die ein oder andere verworfen. Das heißt, wir sind uns dementsprechend sicher. Für das Hauptthema haben wir ihr auch Alternativen angeboten.
Max und Nelly in ihrem Versteck
Ihr habt ja auch einen kleinen Auftritt als Mitglieder einer Band im Film. Hat es Spaß gemacht am Set? Gibt es eine nette Anekdote?
Es war ganz nett mal so einen Drehtag mitzukriegen. Der Vater der Hauptdarstellerin sollte Trompeter sein und würde im Laufe des Films zweimal mit seiner Band in einem Club auftreten. Wir mussten also die Musik im Vorhinein schreiben. Das Drehbuch sah vor, dass der Vater gerade ein Stück zuende spielen würde im Moment wo die Hauptdarstellerin den Club betritt. Dann würde er ein Lied extra für sie spielen, im Laufe dessen die Bühne verlassen, diverse Leute begrüßen, sich in eine Konversation verstricken, die Band fragen wer alles auch ein Bier möchte, um rechtzeitig für seinen Einsatz zurück auf der Bühne wieder zum Instrument zu greifen…
Man kann sich vorstellen, dass wir echt ins Schwitzen kamen bei dem Versuch, das alles vorweg in die Kompositionsarbeit mit einzubeziehen. Um irgendwie ein Gefühl für die zeitlichen Abläufe zu kriegen, versuchten wir uns im Studio die Szene gegenseitig vorzuspielen. Am Schluss wurde natürlich die Hälfte rausgeschnitten. Jan-Josef Liefers spielte den Trompeter und machte es ziemlich gut. Es war auch ein Trompeten-Coach beim Dreh. Und wir haben uns die Mühe gemacht am Schluss einzelne Töne auf seine Fingerbewegungen zu rücken. Sieht total echt aus.
Was für Projekte wünscht ihr euch für die Zukunft?
Ich finde das reizvolle an unserer Arbeit ist die Möglichkeit mit völlig verschiedenen Regisseuren die unterschiedlichsten Filme machen zu können. Immer wieder ein komplett anderer Blick auf die Welt und damit auch die Herausforderung, musikalisch immer wieder neu reagieren zu müssen. Es interessiert mich nicht, einen vermeintlich „eigenen“ Sound über alle Projekte zu stülpen. Im Idealfall bin ich am Ende eines Films, wenn alles fertig ist, nochmal ein bisschen überrascht von der Musik, die wir gemacht haben.
Das soll nicht heißen, dass ich es toll finde wenn die Musik sich sehr exponiert oder selbst thematisiert. Ich glaube den meisten Filmen steht eine eher zurückhaltende Musik besser. Aber wenn der Film eine besondere Herangehensweise erfordert, finde ich es am spannendsten.
Vielen Dank für das Interview
——-
Weitere Informationen zum Film Max Minsky und ich finden Sie auf der offiziellen Homepage.
Näheres zum Künstlerduo Christoph M. Kaiser und Julian Maas erfahren Sie unter www.kaiser-maas.com.