R: Julie Delpy
D: Julie Delpy, Adam Goldberg, Marie Pillet, Albert Delpy, Daniel Brühl u.a.
Musik: Julie Delpy
Verleih: EMS GmbH
Special-Edition + Audio-CD
Film: ★★★★
Musik im Film: ★★★★
DVD-technisch: Bild: ★★★★
Ton (Dolby Digital 5.1): ★★★★, Extras: Einzel-DVD ★★★, Special Edition ★★★★
Love is here to stay?
Mal wieder ein Amerikaner in Paris. Doch der Geist dieser Stadt ist weit entfernt von Vincente Minellis bonbonfarbener Romantik, und ihr Umgangston fügt sich nicht in Musical-Harmonien. Jack (Adam Goldberg) ist kein tänzelnder Sonnyboy und Marion (Julie Delpy) schon gar keine unschuldig-verschüchterte Kindfrau. Stattdessen nervt er beim Kurzbesuch im Elternhaus seiner französischen Freundin als hypochondrischer Miesepeter, während sie ihm in allzu unbekümmertem Umgang mit ihrer (und seiner) Sexualität sowie mit hysterischen Temperamentsausbrüchen vor Familie, Freunden, Ex-Lovern und ganz Paris keine Peinlichkeit erspart. Paris, das sind die Taxifahrer – rassistisch, sexistisch, chauvinistisch –, zugedröhnte Hippie-Pilger an Jim Morrisons Grab auf dem Père Lachaise, ganze Hasenköpfe auf dem Essensteller und schwarzer Schimmel im Bad. Anlässe zur Frankophobie bieten sich zur Genüge für den geplagten New Yorker, der sich inmitten der genitalfixierten Künstlerszene um Marion und ihre anarchistischen Alt-68er-Eltern (grandios komisch gespielt von Delpys tatsächlichen Eltern, Marie Pillet und Albert Delpy) zunehmend unwohl fühlt. Zudem treiben Jack Marions offenbar promiske Vergangenheit, ihre Koketterie bei zufälligen Begegnungen mit einer ganzen Reihe von Ex-Liebhabern und schlüpfrige Nachrichten auf ihrem Handy in einen paranoiden Eifersuchtswahn. Die Stadt der Liebe mutiert für das französisch-amerikanische Pärchen zur emotionalen Hölle, aus der nur Daniel Brühl als bombenlegende Fee Aussicht auf Erlösung verspricht.

Fünf Jahre bereitete Julie Delpy ihren abendfüllenden Regie-Erstling vor, für den sie als der Kontrollfreak, als den sie sich selbst bezeichnet, das Drehbuch schrieb sowie Hauptrolle, Casting, Schnitt, Musikauswahl und Koproduktion übernahm. Dieser Perfektionismus ist dem Ergebnis nicht anzumerken – und gerade das macht es so stimmig. Die 38-jährige Schauspielerin entgeht der Gefahr, die lange erkämpfte Selbstverwirklichung als auteur mit jahrzehnteschweren Ambitionen zu überfrachten. 2 Tage Paris kommt mit einer Leichtigkeit, Spiellust und Spontaneität daher, in der Sprachverwirrungskomik und Kulturclash-Klischees weder flach noch möchtegern-kritisch wirken und Witze unter der Gürtellinie sowie politische Unkorrektheiten weder geschmacklos noch möchtegern-intellektuell. Der Film nimmt sich selbst und seine Figuren nicht zu ernst, gelangt gerade dadurch im Kern sehr nahe an die Realität moderner Beziehungsdramen, und gewinnt so nach all dem satirischen Gag-Feuerwerk in den Schlussszenen noch etwas zutiefst Menschlich-Anrührendes. Er ist intelligent, komisch – und eigen, auch wenn noch so oft der auf der Hand liegende Vergleich mit Woody Allens großen Erfolgen herbeizitiert wird. Delpys Marion hat sich 2007 längst emanzipiert von Annie Halls Emanzipationsentschlossenheit der 1970er und braucht zum Selbstbewusstsein keinen Psychoanalytiker. Und zum schlagfertigen Wortwitz keinen Woody Allen.
Lalala – Ein Julie-Delpy-Soundtrack
2003 brachte das Multitalent Delpy ihr erstes eigenes Album als Sängerin und Songwriterin heraus. In Before Sunset (Richard Linklater) zauberte ihr unprätentiös beseelter Gitarrengesang einen der magischsten Momente des Films. Auch in 2 Tage Paris steuert sie die Lyrics sowie ihre Stimme zu einem Song bei und rundet ihr wahrhaftiges Autorenstück zudem mit einem sehr persönlichen Soundtrack ab. Die Auswahl demonstriert ihre Kenntnis der Musikszene jenseits des Mainstreams und bietet so eine frische und äußerst abwechslungsreiche Mischung von treibendem Jazz (Titus Vollmer’s Bluezzboat) bis französischem Hip Hop (Cassidy feat. DJ Spirit), die mit Tempo und Witz der Dialoge mithalten kann. Eklektizistischen Pop mit psychedelischen Synthie-Soundelementen gibt es vom ehemaligen Air-Produzenten Bertrand Burgalat und den von ihm gegründeten AS Dragon, die schon Begleitband des schriftstellernden Enfant terrible Michel Houellebecq waren. Adan Jodorowsky, der im Film als säuisch simsender Ex-Freund Mathieu auftritt, steuert im Duett mit Arthur H. den bluesigen Abgesang zweier Engel auf die Menschheit bei. Französische und internationale Indie-Hoffnungen wie Doubleman, The Michelles, The Witnesses und die Dortmunder Garagenrock-Band The Roughtones deklinieren musikalisch und mit humorvollen Texten ebenso die Turbulenzen der Hauptfiguren durch wie die 60er-Jahre-Chansons von Jean Moiziard und von Brigitte Fontaine, die wie Marions Filmmutter zu den 343 salopes (zu deutsch: Schlampen) gehörte, die sich1971 öffentlich zum Schwangerschaftsabbruch bekannten, und mit dem jazzigen C’est pas de ma faute gewissermaßen als feministisches Pendant zur Gainsbourg-Dekadenz ihr Recht auf weiblichen Egoismus besingt. Wer den wilden Folklore-Mischmasch der Kultband 17 Hippies mag, wird sich gerne von den scheppernden Blechbläser-Versionen schwelgerischer Klassiker wie _Le Temps de fleurs- (Those were the days) und Mon amant de St. Jean in der Interpretation von Les Plaies Mobiles mitreißen lassen. Das Pariser Duo Nouvelle Vague machte bereits in den letzten Jahren mit sanften Bossa Nova-Adaptionen von New Wave-Klassikern über die französischen Grenzen hinaus von sich reden.

Auch der Retro-Charme des zusammen mit Julie Delpy eingespieltem „Lalala“ vermag den Esprit dieser lebhaften Komödie über die Endcredits hinaus zu tragen und hat Potenzial, noch auf manchem CD-Player im Repeat-Modus laufen.
Die DVD
Die DVD überzeugt in Bild, Ton und Menü-Gestaltung. Die auf den ersten Blick üppigen Extras halten jedoch nicht, was sie versprechen. Der 26-minütige „Bericht“ von der Deutschlandpremiere in der Essener Lichtburg erschöpft sich in qualitativ dürftigen Aufnahmen von Blitzlichtgewitter auf dem roten Teppich und Signier-Session sowie von einem für Fans von Delpys charmanter Natürlichkeit unterhaltsamen, aber wenig aufschlussreichen Gespräch u.a. mit der Regisseurin und Daniel Brühl nach der Vorführung. Auch die nicht verwendeten und erweiterten Szenen bieten wenig Neues. Dafür gibt”˜s für nur ein paar Euro mehr die limitierte Special Edition im liebevoll gestalteten Papp-Schuber mit der Original-Soundtrack-CD, die sich lohnt.
Katja Hettich

