
R: Mike Binder; D: Adam Sandler, Don Cheadle, Jada Pinkett Smith, Liv Tyler
Musik: Rolfe Kent.
Film: ★★☆ bis ★★★
Musik im Film: ★★
DVD-Technisch: Bild: ★★★★ Ton: ★★★★ Extras: ★★☆
Es verwundere ihn, schrieb Groucho Marx, dass ins ernste Schauspielfach wechselnden Komikern soviel Aufmerksamkeit geschenkt werde. Denn „compared to being funny, dramatic acting is like a two-week vacation in the country.” Mit dem Urlaubsvergleich könnte der gute Groucho Recht haben, denn ein Komiker, der seriös rüberkommen möchte, sollte sich ja schon zurücknehmen und entspannen – vor allem seine Gesichtsmuskulatur. Das Kritiker- und Publikumsinteresse allerdings stellt sich meist nur dann ein, wenn der Komiker Tragisches und Komisches in seiner Performance vereint. Das war in den letzten Jahren bei Jim Carrey der Fall und ist mittlerweile auch bei Adam Sandler so. Mit seiner Darstellung in Reign Over Me kehrt er seinen vorherigen Witzfiguren eben nicht den Rücken zu, sondern verleiht ihrem eigentümlichen Autismus und ihrer Aggressivität eine dramatische, durch ein reales Ereignis motivierte Dimension.
In Reign Over Me gibt Sandler Charlie Fineman, einen durch die Flugzeugcrashs vom 11. September verwitweten und traumatisierten New Yorker. Sein früheres Leben als glücklicher Familienvater und erfolgreicher Zahnarzt verdrängend, betäubt sich Charlie mit Videospielen oder kurvt mit einem Motorroller unter den Füßen und 70er Jahre Rock in den Ohren durch die Großstadt. Zuerst alleine, dann zusammen mit seinem ehemaligen College-Kumpel Alan (Don Cheadle). Der zeigt sich einerseits begeistert von Charlies Spontanausflügen als Flucht aus dem eigenen gutbürgerlichen Alltagstrott, andererseits möchte er seinen Freund über das Trauma hinweghelfen. Ein schwieriges Unterfangen, denn Charlie reagiert auf die geringste Erwähnung seiner toten Frau und Töchter mit Tobsuchtsanfällen. Zum Glück kennt Alan eine hilfsbereite Therapeutin (Liv Tyler).
Leichtes Spiel hin oder her, fest steht: Würde Sandler nicht so mitreißend mit dem schwachen Drehbuch ringen, Reign Over Me wäre weniger sehenswert. Sowohl den kauzigen Eremiten als auch den von Trauer zerrissenen Charlie nimmt man ihm an den entscheidenden Stellen ab. Zunehmend unglaubwürdig jedoch wird der von Mike Binder geschriebene und inszenierte Film gegen Ende, als es auf eine Gerichtsszene hinausläuft, in der nach Charlies Amoklauf über dessen zukünftige Therapie-Behandlung debattiert wird. Ein unfreiwillig komisches Trauerspiel, bei dem sich zu den vorherigen holzschnittartigen Nebenfiguren neue Marionetten gesellen, allen voran der gestrenge, aber natürlich gutherzige Richter (reichlich unterfordert: Donald Sutherland).
Die Musik
Um den leicht fäuligen Nachgeschmack zu verdrängen, den das Finale hinterlassen könnte, empfiehlt es sich, sich an die wunderschön fotografierten Außenaufnahmen zu erinnern, und beispielsweise noch einmal auf die stimmige Anfangssequenz zu schalten und Charlies Fahrt durchs morgendliche New York zu folgen, untermalt von Graham Nashs sanftem Song Simple Man. Oder man klickt bei den Extras auf die mit „Jam Session“ benannte Deleted Scene und wird noch einmal Zeuge von Adam Sandlers und Don Cheadles auch instrumental gelungenem Zusammenspiel. Apropos Musik: Nicht nur die Auswahl der aus Charlies Collegezeit herbeizitierten Rocksongs – die Hauptfigur ist Springsteen-Fan, seiner inneren Verzweiflung gibt The Who’s titelgebendes Love Reign O’er Me Ausdruck -, auch der mal bluesige, akustische und elektronische Instrumente gekonnt zusammenführende Original Score von Rolfe Kent überzeugt. Merkwürdig nur, dass man zu keinem Zeitpunkt jemanden hört, der in Erscheinung und Auftreten Charlies allgegenwärtig ist: Bob Dylan. Der Einsatz zumindest einer seiner Lieder hätte Mike Binders Inszenierung zwar auch nicht origineller, aber ein wenig konsequenter erscheinen lassen.
Extras
Das Bonusmaterial ist recht dürftig ausgefallen: Neben der einen genannten Deleted Scene gibt es auf der DVD nur noch Standfotos, Trailer und ein kurzes Interview mit dem Regisseur.
Sebastian Kuhn