
Mike Beilfuß: Du hast für den TV-Film Die Spielerin die Musik mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt eingespielt. Ist es nicht eher ungewöhnlich für einen TV-Film so aufwendig mit Orchester arbeiten zu können?
Karim Sebastian Elias:
Stimmt, bei den meisten TV-Filmen ist einfach nicht genügend Budget für Orchesteraufnahmen vorhanden – das ist die eine Seite. Andererseits kommt es auch immer auf den Stoff an, ob es überhaupt sinnvoll ist mit Orchester zu arbeiten oder ob ein „elektronischer Score“ nicht besser zum ästhetischen Gesamtbild des Films passt.
Bei der Spielerin war mir schnell nach dem Lesen des Drehbuchs (Fred Breinersdorfer; der Autor von Sophie Scholl) klar – den Film muss ich unbedingt mit Orchester aufnehmen.
Wenn ich ein Drehbuch lese, höre ich Musik in meinem Kopf. Und je nach dem was ich da höre, versuche ich es entsprechend umzusetzen. Der Film beschreibt frei nach Motiven von Dostojewskis “Der Spieler“ wie eine Frau durch Ihre Spielsucht ihr Vermögen und Ihre Würde verliert. Die Spielszenen – das Mitfiebern, Gewinnen und Verlieren – spielen eine große Rolle in dem Film. Das Orchester mit seinen unglaublich vielen Klangfarben schien mir das beste Mittel, diese Vielschichtigkeit herauszuarbeiten und Erhard Riedlsperger, dem Regisseur des Films war es auch ein großes Anliegen für diesen Film Orchesteraufnahmen zu machen.
Sehr wichtig war es, die richtige Farbe für „Das Spiel“ zu finden und in die Figur der „Polina“
einzutauchen. An den zentralen Wendepunkten des Films stehen immer wieder Spielszenen bei denen oft über lange Strecken kein Dialog ist. Mal sind wir dann mit dem Spielverlauf mitgegangen, mal bewusst dagegen – wir wollten aber in jedem Fall mit der Musik immer ganz nah bei Polina, der Hauptfigur sein.
Bei den Spielszenen habe ich oft mit oszinaten Figuren und sich ständig fortentwickelnden Sequenzierungen im 5/8 und 7/8 Takt gearbeitet, die ich dann durch die verschiedenen Gruppen, in die Streicher, ins Holz und ins Schlagwerk hab wandern lassen. Ich habe versucht die Arrangements so luftig zu gestalten, dass sie mit dem (sehr gelungenen) Sounddesign harmonieren.

Warum arbeitest du denn so gern mit Orchester? Was ist der Unterschied zwischen einem Sythie-Orchesterscore und einem realen Orchester?
Weil ich den Sound des Orchesters liebe und durch das Spiel der wunderbaren Orchestermusiker die Komposition eine Metamorphose erlebt, die man mit Sample-Arrangements nie erreicht. Genau genommen wird es für mich eigentlich erst wirklich Musik durch die Musiker. Mit Gernot Schulz, meinem Dirigenten und dem Brandenburgischen Staatsorchester verbinde ich sehr schöne „musikalische Momente“ und eine tolle Zusammenarbeit. Das Schreiben und die Klangvorstellung verändern sich auch durch die Orchesteraufnahmen. Jedes mal lernt man wieder etwas dazu, was gut und was nicht so gut funktioniert hat. Klar, die Samples werden immer besser – aber die kreative Kraft, die durch das Zusammenwirken verschiedener Menschen entsteht, ist unersetzbar.
Wir haben in Deutschland sehr gute Orchester und die größte Orchesterdichte der Welt. Das sollte man nutzen.
Ich fände es schön, wenn wir es schaffen würden, dass zwischen Film und Fernsehen und der Orchesterlandschaft mehr Kooperationen entstehen würden. Das wäre für beide Seiten gut.
Oh ja! Ohne ihn wären die Orchesteraufnahmen nie zustande gekommen. Er hat sich beim Produzenten stark gemacht – und so wurde doch noch ein Orchesterbudget freigeschaufelt.
Auch im kreativen Prozess ist er sehr wichtig für mich gewesen. Er ist sehr musikalisch und seine Anmerkungen waren sehr klar und hilfreich.
Wir haben davor schon bei Die Rosenzüchterin zusammengearbeitet.

Wie genau sah der Produktionsablauf aus bei Die Spielerin?
Ich hatte ca. 8 Wochen Zeit, was für einen TV-Film schon ganz gut ist
Erst habe ich alles mit Samples vorproduziert, damit alles vom Regisseur, dem Produzenten und der Redaktion abgenommen werden konnte und dann erst haben wir die Orchesteraufnahmen gemacht.
Gute Fragen… Ob sich was verändert hat ist für mich schwer, zu sagen. Ich bin auch erst seit 1998 dabei…ich hatte das Glück, direkt nach Abschluss meines Musikstudiums bei einer TV-Serie mitarbeiten zu können, die ich dann sehr schnell eigenverantwortlich übernommen habe.
Die Produktionsverbindungen haben sich für mich persönlich in den letzten Jahren eher positiv entwickelt. Allgemein, wenn ich mich mit Kollegen unterhalte, die schon länger dabei sind, habe ich allerdings schon den Eindruck, dass sich wegen des hohen Kostendrucks auf die Produzenten auch unsere Rahmenbedingungen eher verschärft haben.
Die Produktionsbedingungen? – mmh, ich habe da sehr positive Erfahrungen gemacht. Die Regisseure, Produzenten und Redakteure, mit denen ich bislang zu tun hatte, waren bis auf ganz wenige Ausnahmen sehr konstruktiv in der Zusammenarbeit und ich habe durch sie sehr viel gelernt.
Das sind ja kreative Köpfe, die die Filme oft über zwei Jahre und länger begleiten. Da versuche ich immer gut zuzuhören – so habe ich schon sehr viel Input bekommen.
Bei mir hat sich immer ein Projekt aus dem Anderen ergeben – Gott sei dank. Vor längerer Zeit hatte ich mal ein paar Demos verschickt. Darauf hat sich aber niemand bei mir gemeldet. Man sollte irgendwie versuchen, einen persönlichen Kontakt herzustellen zu demjenigen, dem man etwas schickten will – sonst geht das, glaub ich unter. Ein befreundeter Regisseur hat mir kürzlich erst erzählt, dass er jede Woche Demos von Filmmusikern bekommt – und keine Zeit hat sich damit zu beschäftigen. Ich denke, dass man vor allem an sich arbeiten muss, dann kann sich einiges ergeben.
Einige TV-Filme sind für dieses und nächstes Jahr in Vorbereitung unter anderem die Neuverfilmung der Schatzinsel, ein Remake von Der Postmeister des russischen Dichters Alexander Puschki (ein Klassiker von 1940 mit Heinrich George) und ein Regisseur hat sich mit einem Kinofilm für nächstes Jahr an mich gewandt.
Zur Zeit arbeite ich an Stadt-Land-Mord (Sat 1). Als Nächstes schreibe ich dann die Musik für *Über die Ostsee in die Freiheit* (ARD) mit Peter Lohmeyer und Jürgen Vogel.
Sich immer weiterzuwickeln zu dürfen und die nächsten 100 Jahre weiter mit Komponieren meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Vielen und herzlichen Dank für das Interview.