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Interview mit Oliver Biehler über die Musik in "FC Venus" (seit 27.April im Kino)


David Serong: Der Filmmusikanteil in FC Venus ist ja ziemlich gering. War das von Anfang an klar, dass Songs die Musik dominieren würden? Und wie komponiert man unter solchen Voraussetzungen?

Oli Biehler:
Hier war von Anfang an klar, dass es sehr viele Songs geben würde. Ich wurde sozusagen vor vollendete Tatsachen gestellt.
Dies ist eigentlich auch kein Problem, da es momentan einfach sehr “en vogue“ ist Filme mit Songs zu füttern und es gibt wunderbare Beispiele in denen das auch sehr gut funktioniert.

Bei FC Venus war “cinesong“ (Milena Fessmann und Michael Beckmann) für das Supervising beziehungsweise Song-Clearing zuständig und hier wurde auch bis zuletzt um songrechte und so weiter gekämpft. Dies ist natürlich für den Filmkomponisten eine relativ undankbare Aufgabe, da er während der kompositorischen Phase eigentlich keine Ahnung hat welcher Song denn jetzt vor beziehungsweise nach seinem Cue steht und er auch keine Möglichkeit hat, darauf zu reagieren.

Bei FC Venus gibt es die finale Endspielsequenz (ca. 20 Minuten). Hier war der Regisseurin und mir klar, dass hier nur dramaturgische Filmmusik kommen kann, da zu viele Sachen passieren, die zu wichtig sind, um sie mit Songs zu verwässern. (Frauen liegen hinten, Verzweiflung in der Pause, Fehlentscheidung des Schiedsrichters, Kampfgeist beschwören, Frauen gleichen aus – die ganze emotionale Palette).
Leider konnten wir uns nicht durchsetzen, da Produktion, Verleih, Redaktion der Ansicht waren, dass man hier unbedingt auch Songs haben müsste, aus Gründen, die ich bis heute noch nicht verstanden habe. Sehr, sehr schade…...auch für den Film.
Aber hier ist es leider mal wieder so, dass man als Filmkomponist in Deutschland immer mehr zum reinen Dienstleister gedrängt wird, so nach dem Motto: Gib uns hier eine Musik, gib uns da eine Musik, oh…wir bekommen leider die songrechte für Song xyz nicht, mach’ doch da schnell mal auch noch was.
Die Folge ist, dass genau das, was Filmmusik leisten kann, nämlich dramaturgisch zu arbeiten, ein schlüssiges Konzept durch den gesamten Film aufzuzeigen, den Zuschauer gegebenenfalls zu leiten und so weiter, zerstört wird.
So war ich bei FC Venus eigentlich auch nur beschäftigt die kleinen und großen Lücken zwischen den Songs zu füllen. Von einem schlüssigen Konzept kann hier keine Rede sein.

Soll aber jetzt nicht heißen, ich hatte keinen Spaß. Die Einzelstücke sind für sich allein genommen sehr gut geworden, so wie ich den Film auch (abgesehen vom Endspiel) sehr gut finde. Muss mal gesagt werden. Ich hatte tolle Musiker, gute Laune, nette Ideen – nur hat es leider mit einer konzeptionellen Filmmusik recht wenig zu tun.

Ich habe auf dem Filmpreis mit vielen Kollegen gesprochen, die ähnliche Situationen erleben oder erlebt haben. Man kann nur hoffen, dass es zu jeder Bewegung auch eine Gegenbewegung gibt.
Wie gesagt, es gibt auch Filme, in denen Songs ganz anders eingesetzt werden, mit Bewusstsein – David Lynch ist da ein Meister und es gibt noch viele andere. Da merkt man sofort, dass sich der Regisseur/Produzent schon im Vorfeld Gedanken über den Sound gemacht hat, dass er ihm wichtig ist und beim Dreh vielleicht schon im Kopf hat, dass es einfach ein Bewusstsein für Musik gibt, welches wiederum Auswirkungen auf das Musikbudget hat.
Leider haben in Deutschland die meisten Produzenten und Regisseure das Fach Musik in der Schule geschwänzt.

In FC Venus kam es mir vor, dass Filmmusik nur in – ich sage mal – besinnlichen Szenen verwendet wurde, während die Action-Momente Songs vorbehalten blieben. Gerade im Fernsehen sieht man das immer häufiger. Inwieweit ist der Film exemplarisch für heutige Produktionen?

Ja, das ist oft so. Man traut der Filmmusik nur noch die Emotionalität (oft bis ins kitschige abdriftend) zu.
Der größte Teil meiner Musik für FC Venus ist aber eher kraftvoll. (Ist dir wahrscheinlich gar nicht aufgefallen, da es eben nicht nach typischer Filmmusik klingt)
Zum Beispiel in der Endspielszene, wenn beide Mannschaften aufs Feld laufen oder Szene mit dem Schlammtraining der Frauen. Man kann eigentlich sagen, dass es sich, da wo nicht gesungen wird, um Filmmusik oder beziehungsweise um Musik von einem Filmmusiker handelt.
Mein Anteil an der gesamten Musiklänge liegt so bei 20 Minuten.

Mit Regisseurin Ute Wieland hattest du schon zusammengearbeitet. Wie gestaltet sich die Arbeit mit ihr?

Mit Ute war das jetzt meine vierte Produktion.
Wir arbeiten eigentlich sehr gut zusammen. Sie sieht Sachen oft total anders, wenn wir über Musik im Film diskutieren, aber das macht es auch spannend.
Ich bin von Haus aus niemand, der zu allem Ja und Amen sagt.
Und wenn ich der Meinung bin, dass etwas falsch ist oder unpassend, dann äußere ich das auch. Wir können sehr offen miteinander reden, und das verlange ich eigentlich auch von jedem einzelnen meiner Regisseure.
Andererseits hat Ute ein unglaubliches musikalisches Gespür. Sie steigt gerne in Details ein, die ich für völlig uninteressant für den Film halte und wenn ich ihrer Idee dann folge, bin ich oft überrascht, wie richtig ihre Entscheidung ist.
Bei FC Venus waren aber leider oft “ höhere Mächte “ im Spiel, so dass diese Zusammenarbeit auch für uns eine Zerreisprobe war, die wir aber glaube ich ganz gut überstanden haben.

Kannst du etwas über deinen Weg zur Filmkomposition erzählen?

Nach klassischer Ausbildung (Klavier) und Musikstudium war ich lange Zeit mit diversen Bands beschäftigt, als Sänger und Songschreiber, bevor ich 1993 an der Filmakademie in Ludwigsburg zum Filmmusikstudium gekommen bin.
Das Spannende war und ist es hier für mich immer noch, sogenannte E und U-Musik in der Filmmusik zu verbinden.
Liegen meine Wurzeln zwar in der Klassik, so ist doch die Beschäftigung mit Rock/Pop/Elektro genauso essenziell für mich.
Die Bandbreite vom Punkrock, wie in der Produktion Baal, über Spaghetti-Western-Sound in FC Venus bis hin zum klassischen Orchester in Das siebte Foto (deutscher Fernsehpreis 2004/ beste Filmmusik) macht es vielen schwer, eine Einordnung für mich zu finden. Aber Schubladen waren eh noch nie mein Ding, oder anders gesagt: Es gibt nur gute und schlechte Musik.

Was sind deine nächsten Projekte? Dürfen wir dort etwas mehr Oli Biehler hören, als in FC Venus?

Als nächstes steht ein Tatort an, und es gibt zwei Anfragen für Kinofilme (Das sind aber noch ungelegte Eier).
Diese Projekte werden sicherlich wieder mehr in den Bereich klassische Filmmusik gehen.
Desweiteren schreibe ich auch gerade wieder Songs zu meiner eigenen Belustigung (für eine eventuell anstehende Solo-Platte), und meinen beiden Kindern fällt auch immer wieder was ein, wie sie Papa aus dem Studio kriegen.

Vielen und herzlichen Dank für das Interview


Die offizielle Homepage von FC Venus